Kein Zauberstab zur Sinnsuche….

Gestern hatte ich (wieder einmal) den Anruf eines Unternehmensberaters, der mir mit leidenschaftlicher Stimme seine Dienstleistung empfahl. Einer der entscheidenden Faktoren seines Erfolges bestände darin, bei den Menschen in den Tiefen der Persönlichkeit den Sinn für ihre Arbeit, damit eine schier unglaubliche Motivation für ihre Arbeit zu entdecken, zu wecken und nutzbar zu machen.
Ehrlicherweise will ich zugeben das mein Kommentar auch dadurch verursacht wird das ich von solchen pathetischen Angeboten schlichtweg überschwemmt und damit ziemlich genervt werde.
Was ist das für ein Menschenbild, frage ich mich dann immer wieder?
Glaubt man das es so einfach ist, Menschen manipulativ zu etwas zu bewegen was sie ohne einen solchen konstruierten ggf. fremdbestimmten Sinn nicht erbringen würden, nämlich Motivation und Leistung?
Ich kenne so viele Menschen die alle in absolut unterschiedlichen Bereichen arbeiten. Sie alle sind nach meinem Dafürhalten in den weitaus meisten Fällen sehr engagiert und motiviert bei der Arbeit. Ich habe aber noch keinen Einzigen gehört, der für seine Arbeit einen Sinnsucher brauchte.
In den Jahrzehnten meiner bisherigen Arbeit habe ich allerdings eine Vielzahl von sehr konkreten und nachvollziehbaren Gründen erlebt von denen Menschen sich antreiben lassen.

Ganz profan möchte ich die gar nicht so abenteuerliche These aufstellen das die weitaus meisten Menschen für sich selber und ihre Wünsche arbeiten. Sie verbinden mit ihrer Arbeit und dem Arbeitgeber zuallererst einmal folgende Stichworte:
Einkommen, Familie/ Kinder (Ausbildung), Arbeitszeit, Weiterbildung, Wohnung/ Haus, Urlaub, Freizeit, Gesundheit, Sicherheit, ……..
Diese Ziele sind für die einzelnen Menschen viel wert. Geraten sie in Gefahr, ist das kein Spaß. Diese Wünsche spielen eine maßgebliche Rolle bei der Beurteilung der Arbeit. Für die Erreichung, den Erhalt oder die Stärkung dieser originären Zielvorstellungen werden die meisten auch mit großem Einsatz kämpfen.

An eine nachhaltige Motivation alleine durch abstrakte Zahlenziele des Unternehmens glaube ich nicht. Nicht die besten Power Points werden daran etwas ändern. Nur dann, wenn die Verfehlung der Unternehmensziele die prioritären Ziele der Mitarbeiter in Gefahr bringen, dann geraten diese in den Fokus.
Hohe Umsatzrenditen sind nicht die Ziele der Mitarbeiter, sie sind die Folge einer zielgerichteten Zusammenarbeit.
Es ist auch notwendig, wenn man diese wichtigen Umsatz,- bzw. Renditeziele erreicht, denn es ist für die Verwirklichung der prioritären Mitarbeiterziele extrem schlecht, wenn Unternehmen wenig oder gar keinen Gewinn machen.

Manchmal geraten in unserer Welt die Reihenfolgen etwas durcheinander. Nur dann wenn Gewinne erwirtschaftet wurden, kann auch verteilt werden.
Diese einfache Erkenntnis führt zu dem Schluss das noch so viele Appelle oder Mission/Vision Power Points dies nicht außer Kraft setzen können.
Betriebe sind vor allem Zweckgemeinschaften zum Erreichen von jeweils sehr unterschiedlichen Zielen.

Eine weitere einfache Wahrheit ist, dass die Arbeit erst einmal für andere geleistet wird. Das, was man als Produkt oder als Dienstleistung produziert, landet idealerweise nicht im Mülleimer, sondern hat für einen Kunden einen Wert.
Und hier gilt es die beschriebene individuelle Zielsetzung abzurunden durch die Beschreibung dessen, was wir tun. Ist es gut, vertretbar, hat es einen Nutzen, was bedeutet es für den Kunden? Auf welche Merkmale meiner Arbeit bin ich stolz? Auf die Qualität, die Termintreue, die Freundlichkeit? Diese Merkmale einer Arbeit, unabhängig von der Art der jeweiligen Tätigkeit zu finden, das ist eine lohnenswerte Mühe.
Und natürlich spielen dann auch die Umstände und die Bedingungen der Arbeitserbringung, der Inhalt der Arbeit die Qualität der Führung, d.h die Art wie man geführt wird, eine maßgebliche Rolle. Das sind die Rahmenbedingungen, die prägend sind.
Erreichen die Mitarbeiter ihre Ziele in einer Art und Weise und in einer guten Kooperation mit der unmittelbaren Führung, die das ganze Bild rundmachen und Zufriedenheit erzeugen?

Ich amüsiere mich immer wieder wenn man sieht das Unternehmen sich präsentieren wie Modells bei Misswahlen.
Auf die Frage nach den Zielen folgen oft schon als erstes Statements, die auch auf einer anspruchsvollen politischen Veranstaltung passen würden. Treuschwüre zur ökologischen und sozialen Verantwortung und Zielsetzung schweben im Raum, das Unternehmen wird ein Platz mystischer Rituale, das Modewort Nachhaltigkeit darf nicht fehlen, am Ende fehlt nur noch – Weltfrieden?!

Tradition und Kultur prägen ein Unternehmen ganz entscheidend. Diese Dinge verändern sich, passen sich an, können zerstört und beschädigt aber auch bewahrt, gefördert oder entwickelt, aber eben nicht verordnet werden.
Sie entstehen in der Weise, in der die Menschen und der jeweilige Betrieb eine gelungene Balance gefunden haben, eine faire und funktionierende Symbiose, um die jeweiligen Ziele optimal zu erreichen.

Das klingt fürchterlich nüchtern und wenig pathetisch, aber ich glaube daran das die Individuen, die Einzigen sind die einen Sinn in dem was und wie sie etwas machen erschaffen und erkennen können. Ein Kollektiv, egal ob Gesellschaft oder Betrieb kann und sollte das nicht vorgeben.
Menschen kann man nicht entwickeln, man kann sie aber so führen, dass sie sich entwickeln! Sie dazu befähigen das ist ein schönes Ziel. Ob sie sich aber entwickeln wollen liegt ganz bei den einzelnen Menschen. Das ist die deprimierende Botschaft für alle Berater die, glauben den Zauberstab hierfür verkaufen zu können.

Kein Zauberstab zur Sinnsuche….

Der Name ist nicht Schall und Rauch

Bei einem unserer Work Shops kritisierten viele Mitarbeiter das sie nicht mehr mit ihrem Namen angesprochen, das Führungskräfte ihre Namen kaum noch kennen würden.
Eine schreckliche Vorstellung. Das oberste Motto der Bundeswehr für die Führung der Mannschaften lautet: „Wenn Du Menschen führen willst, must Du Menschen mögen“
Und das hat viel mit Beziehung bzw. mit dem Kennen des Namens zu tun.

Ich erinnere mich noch sehr gut an folgendes Erlebnis auf der Werft. Im Sommer 1978, war ich frischgebackener Facharbeiter und machte Überstunden, weil ich für meine Urlaubsreise nach Norwegen noch etwas dazu verdienen musste. Ich war damit beschäftigt einen schweren Eichenholzständer auf einen Handwagen zu verfrachten, um diesen auf die Helling zum Schiffsneubau zu bringen.
Unser Seniorchef machte seine abendliche Runde auf der Werft. Als er an mir vorbeiging, grüßte er mich und sagte „Ganz schön schwer Herr Bloem?“. Ich war ehrlich geschockt und erkundigte mich am nächsten Tag bei unserem Betriebsrat, ob etwas gegen mich vorlag, denn warum sonst sollte Herr Meyer meinen Namen kennen?

Egal wo wir sind und wie die Umgebung auch ist – wenn wir unseren Namen hören, werden wir sofort aufmerksam. Namen sollen Schall und Rauch sein aber in dem eigenen Namen finden wir uns wieder. Wer sich an den Namen einer Person erinnert, zeigt Interesse und Wertschätzung. Es ist deshalb insbesondere bei Führungskräften eine Katastrophe den Namen der Mitarbeiter nicht zu kennen. Damit dokumentiert man eine Distanz die durch noch so wohlgesetzte Worte nicht behoben werden kann.

Wenn sie das nicht glauben, machen sie ein Experiment. Mitten in einem Gespräch lassen sie den Namen ihres Gegenüber von einer anderen Person irgendwo rufen. Sie werden merken, dass ihr Gegenüber völlig abgelenkt ist. Er/ Sie wird suchen, woher das kam, das Gespräch gerät völlig in Vergessenheit. Es gibt nach meiner Erfahrung nichts, was einen Menschen derart aus dem Konzept bringen kann wie der Ruf des eigenen Namens. Nach meiner Beobachtung gilt dies umso mehr, wenn dies verzerrt oder weit entfernt wahrgenommen wurde.
Das gilt im Übrigen auch für einen selber. Man fragt sich, was dort über einen gesagt wird. Wird positiv oder negativ geredet, gelobt oder gelästert?
Ich kenne kaum Fälle, wo die Neugier nicht so groß ist, dass dies einfach ignoriert wird.
Wenn ich den Namen meines Gegenüber kenne, gewinne ich sofort viele Sympathie Punkte. Man zeigt damit, dass der Gesprächspartner etwas Besonderes ist.

Unser Betriebsrat schilderte mir bei meiner damaligen Anfrage, dass unsere Senior Chef die meisten Mitarbeiter kenne (damals war die Belegschaft noch nicht auf dem Rekordniveau wie heutzutage) und er sich auch gut merken könne, wenn der eine oder andere auffällig sei. Damals hatten wir aufgrund einer schwierigen Auftragslage nur wenige Auszubildende übernommen und ich hatte mich bei zwei Anlässen auch zu Wort gemeldet. Das beruhigte mich, aber diese Fähigkeit von Herrn Meyer hat mich unglaublich beeindruckt und mein Bild von ihm als Unternehmer maßgeblich geprägt.

Wenn ich den Namen behalte, signalisiert dies Interesse, Anerkennung oder auch Respekt. Der Name zeigt Vertrautheit. Durch eine duzende Ansprache, bei der ich möglicherweise meinen Gesprächspartner nicht mit Namen kenne, hilft dies kaum, jedenfalls nimmt die Bindungskraft erheblichen Schaden.

Natürlich entgegnen viele, dass man in dem Fall, das man in kurzer Zeit viele Menschen kennenlernt, schnell vorkommen kann, dass man den einen oder anderen Namen vergisst. Solange Ihr Gesprächspartner das nicht mitbekommt, haben Sie Glück – andernfalls büßen Sie viel Sympathie ein.
Bei Vorgesetzten, Führungskräften gegenüber den Mitarbeitern ist es einfach unentschuldbar.

Der eigene Name ist eben das Wort, welches jeder am liebsten hört.

Der Name ist nicht Schall und Rauch

Führungskräfte für Rocky ?

Gerade lese ich das Führungskräfteseminare mit Boxkampfelementen als neue Modeerscheinung ganz hip sind. Vielleicht muss ich das tatsächlich einmal mit unserer Personalentwicklung besprechen.

Schon vor einigen Jahren war ich zu einem Vortrag in Hamburg eingeladen, bei dem ein alter Boxtrainer aus den Vereinigten Staaten referierte. Wenn man öfter in Deutschland auf den unterschiedlichsten Veranstaltungen teilnimmt, dann war das schon bemerkenswert. Der Ort war auch ungewöhnlich. Wir saßen in Sportkleidung in einer Halle, vor uns ein Boxring und daneben eine Leinwand mit einem Beamer.
Neben der Überraschung über Art und Ort des Seminars waren auch die Fragen des alten Kämpen an uns Laien ungewöhnlich.
„Was glaubt ihr, ist die Hauptaufgabe eines Coaches bei einem Boxer“? Unsere Antworten waren geprägt von der Fernsehwahrnehmung und Rocky Film Wissen. Kondition und Ausdauer; Technik; Beweglichkeit; Härte gegen sich selber?
Alles richtig und doch nicht umfassend genug. All dies, so wurde uns erklärt, wären Fleißaufgaben, die auch ein Assistent coachen könnte.
Ein richtiger Boxtrainer hingegen müsse seinem Schützling mentale Präzision, Mut, Selbstverantwortung, Disziplin, Selbstbeherrschung, Beharrlichkeit, Zielstrebigkeit, Siegeswille, ehrliche und kritische Selbsterkenntnis und vor allem Autonomie beibringen.
Dies alles seien im Ring Eigenschaften, die elementar seien, um Erfolg zu haben.
Es entwickelte sich eine überraschend interessante Diskussion über diese Kompetenzen die auch für die Arbeit so bedeutsam seien.
Der Boxer ist im Ring auf sich allein gestellt und muss jederzeit auf ständig wechselnde Situationen reagieren. Wildes Unkoordiniertes planloses herumschlagen sieht zwar spektakulär aus, kostet aber unnötig Energie, Kraft und ist die Einleitung der Niederlage. So das seinerzeitige Credo.
Um dies unter Beweis zu stellen, wurde die angekündigte Praxiseinheit eingeschoben. Dabei durften wir alle im Ring tänzeln und etwas auf einen Sandsack oder auf einige Sparringspartner einschlagen (die Gott sei Dank nicht zurückschlugen:-). Es war überraschend, wie vollkommen ausgepumpt wir durch unsere wüste Art des Boxens nach kürzester Zeit waren.
Dem Schützling zu helfen und beizubringen eine Balance zwischen dem strategischen Ziel, der zur Verfügung stehenden eigenen Energie und der Zeit zu halten, das wäre eine Aufgabe an der viele Sportler und vermeintliche Coaches scheitern würden.
Nachfolgend wurden uns einige Videos gezeigt, die wir so oder in ähnlicher Weise schon öfter gesehen hatten. Kämpfer, die zu Boden gingen, aber zur Begeisterung der Massen immer wieder aufständen.
Etwas überraschend erklärte der Coach dabei, dass diese Szenen Merkmale eines schlechten Trainers wären.
Ließe man es zu das einem Schützling derartige Schmerzen zugefügt werde, lege der malträtierte Körper die Grenze zu Fluchtreflexen im mächtigen Unterbewusstsein herunter. Man bekäme den Kämpfer zwar äußerlich wiederhergestellt, er sei aber nicht mehr derselbe. Die Aufgabe eines guten Trainers sei die Beobachtung des Verhaltens im Ring. Habe der betreute Boxer noch Hoffnung auf einen Sieg, habe er noch Antworten auf die wechselnden Herausforderungen, glaube er noch an sich? Dies alles könne durch aufmerksame Beobachtung gesehen werden. Ein guter Trainer verpasse keinesfalls diesen Augenblick, in dem die Niederlage sich abzeichne.
Würden auch die Hinweise in den Pausen nicht mehr helfen, dann gelte es größeren Schaden abzuwehren. Dies zu wissen und übermäßige Schmerzen, damit verbundene Frustrationen und die Beschädigung des Selbstbewusstseins zu verhindern, sei durch die aufmerksame Beobachtung am Ring möglich und notwendig.
Dann sei das Handtuch zu werfen.

Nichts anderes, so der Referent sei auch die Aufgabe von Führungskräften. Sie müssen ihre Mitarbeiter vergleichbar dem betreuten Boxer an und manchmal über ihre Grenzen führen. Immer dann sei das Handtuch zu werfen, wenn die Mitarbeiter wie der Boxer keine Perspektive mehr hätten ihre Ziele zu erreichen oder zu gewinnen. Reagieren Führungskraft oder Coach hingegen nicht, agieren gute Mitarbeiter durch Flucht oder Gleichgültigkeit und verhindern so schmerzhafte Niederlagen oder Frustrationen.

Es war am Ende doch ein sehr lehrreiches Seminar über die Verantwortung der Führungskraft für seine ihm anvertrauten (Boxer/ Mitarbeiter).

Führungskräfte für Rocky ?

Mal zur Abwechslung – eine kleine Erinnerung …..

Heute Morgen hatte ich bei dem Kauf eines Brötchens und der Suche nach Kleingeld 1 Cent in der Hand. Dabei denke ich an eine Geschichte zurück die ich während des Konfirmanden Unterrichts bei uns im Dorf erlebte. Direkt neben dem Gemeindesaal in dem besagter Unterricht immer an einem Nachmittag in der Woche stattfand, war auch ein kleiner Edeka Laden. Dort gab es, wie damals üblich, alles mögliche zu kaufen. 50 Pfennig war das Taschengeld für eine Woche und damit galt es natürlich bei dem Kauf von Eis oder Süßigkeiten zu haushalten.
An der Kasse befand sich ein Behälter mit kleinen „Speckmäusen“. Das waren aus irgendeinem süßen Stoff hergestellte kleine Mausnachbildungen. Eine dieser Mäuse kostete 1 Pfennig. Unser Freund Otto, der immer für jede Menge Unfug zu haben war, hatte offenbar den Auftrag nach dem Konfirmandenunterricht noch einzukaufen. Er nahm sich allerdings vor dem Unterricht eines dieser Mäuse aus dem Behälter, legte ein glänzendes 5 Markstück auf den Tresen und wollte damit bezahlen. Die Verkäuferin, Frau Wichers schenkte ihm über den Rand ihrer Brille hinweg ein Lächeln, schob das Geldstück zurück und sagte „Otto, die Maus die schenke ich Dir“. Das Grübeln bei Otto war über 2 Meter noch fast zu hören. Mit einem Strahlen im Gesicht und begleitet von einem fassungslosen Blick von Frau Wichers nahm er sich dann noch eine Maus aus dem Glas und verkündete stolz, „dann nehme ich noch eine Maus“. Ich sehe besagte Frau Wichers heute noch vor mir und ihr Gesicht als sie 4 Mark und 99 Pfennige herausgab. Otto war einige Tage mit dieser Geschichte Gesprächsstoff bei uns Jungen. Ich weiß bis heute noch nicht, wie ich die damalige Aktion einordnen muss. War dies Schlagfertigkeit oder tatsächlich Kalkül?

An demselben Tag hatte der gute Otto es aber auch faustdick hinter den Ohren. Im Konfirmandenunterricht saßen wir im Saal auf Bänken hintereinander und der Gemeindepastor hörte unsere auswendig gelernten Textteile aus dem Gesangbuch ab. Auf der Bank vor uns saß Marion. Sie hatte schwarz glänzende lange Haare die ihr fast bis zur Hüfte reichten. Otto hatte erkennbare Langeweile und knotete ihre Haare um die Rückenlehne der Bank. Irgendwann merkte Marion, dass an ihren Haaren gezupft wurde, drehte den Kopf und spürte sofort die Knoten. In einer unfassbar schnellen Bewegung schlug sie mit einer Plastiktüte nach hinten und diese knallte mit einem lauten Knall auf Ottos Kopf. Pastor Schulz kam erbost nach hinten gestürmt, weil Otto laut wehklagte und sich den Kopf rieb. Seufzend, weil es wieder einmal Otto war der auffiel, fragte er was denn passiert sei. Otto stand auf, rieb sich den Kopf, zeigte auf Marion und jammerte „Herr Pastor, Herr Pastor. Sie hat mich mit dem Bibel und die Gesangbuch auf das Kopf geschlagen“ Pastor Schulz schlug die Augen gen Himmel und ging kopfschüttelnd wieder zum Abhören nach vorne und murmelte resignierend vor sich her.

Er hatte es diesbezüglich auch nicht leicht mit uns allen. Aber – man wächst ja bekanntlich an den Herausforderungen

Mal zur Abwechslung – eine kleine Erinnerung …..

Wertschätzung – oder?

„Wenn die Worte nicht stimmen, dann ist das Gesagte nicht das Gemeinte. Wenn das, was gesagt wird, nicht stimmt, dann stimmen die Werke nicht.“

Dieses etwas verkürzte Zitat von Konfuzius fiel mir in die Finger, als ich jetzt einen Vortrag vorbereitete. Dabei fällt mir auf, wie oft ich auch schon Worthülsen benutze.
Immer wieder kritisiere ich, wie viele Begriffe wir verwenden, die wir wie Sahnebonbons im Karneval (so eine geläufige kritische Formulierung in meinen Vorträgen) in die Menge werfen, ohne zu hinterfragen, was denn damit genau gemeint ist.

Bei der besagten Vorbereitung fiel mir auf, wie oft ich das Wort Wertschätzung und Achtsamkeit verwendete. Modisch ist es auf jeden Fall.
Was beinhaltet Wertschätzung eigentlich im Kern?
Ich schaue mir die Ergebnisse eines großen Work Shops bei uns auf der Werft an und stelle mir folgende Frage.
Ist es nicht so das wir uns alle sehr viel besser fühlen würden, wenn wir alle einfach respektvoller, freundlicher und höflicher miteinander umgehen würden? Dies zumindest wurde im Wesentlichen von den meisten Mitarbeitern eingefordert.
Für uns alle würde eine solche Berücksichtigung dieser Begriffe im Privatleben wie auch bei der Arbeit eine gewaltige Verbesserung der Lebensqualität bedeuten.

Bei der besagten Vorbereitung stelle ich fest, wie weichgespült viele Wortbeiträge schon sind. Sage ich noch das, was richtig ist oder das, was politisch korrekt ist und dem heutigen Zeitgeist entspricht?

Das was wir alle irgendwann einmal vermissen werden sind so altmodische Tugenden wie Höflichkeit, Freundlichkeit, Bescheidenheit, Geduld, Pünktlichkeit und Fleiß. Schließen wir einmal die Augen und stellen uns vor das diese Dinge von uns allen gelebt und berücksichtigt würden. Wir bräuchten keine neumodischen Begriffe – oder?

Bedeutet Wertschätzung die Akzeptanz und Toleranz gegenüber allen Macken, Fehler und Verstößen gegen die oben aufgeführten Begriffe? Modisch und dem „Zeitgeist“ entsprechend wäre dies. Ich bin aber auch überzeugt, dass dies die höchste Form der Geringschätzung gegenüber einem Menschen wäre – oder?

Ein Mitarbeiter sagte mir vor einiger Zeit in einem Gespräch ganz nüchtern, – behandle mich bitte nicht wie ein Kind. Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe und die Kritik daran kann ich auch aushalten.
Ich bin freundlich, möglichst höflich und konsequent geblieben. Das genügte völlig und ich habe keinen Augenblick das Wort Wertschätzung gebraucht.

Ich habe vor nicht allzu langer Zeit folgende Absage einer Bewerbung gesehen, die folgenden Text enthielt:

Ihre Bewerbung und die Art Ihrer Bewerbung sind wirklich beeindruckend. Wir finden das ganz toll. Behalten Sie sich diese Form bei, damit heben Sie sich sehr von der Masse ab.“ Danach folgte die Absage.

Wertschätzung pur?
Konfuzius hatte aber recht: Wenn die Worte nicht stimmen, dann ist das Gesagte nicht das Gemeinte. Wenn das, was gesagt wird, nicht stimmt, dann stimmen die Werke nicht.

Wertschätzung – oder?

Positiv MEMORY …….

Wie viele gute, positive Gefühle und Erlebnisse hatten Sie heute oder am gestrigen Tag in ihrer Familie oder bei der Arbeit? Wissen sie das relativ schnell?
Na – etwas Schwierigkeiten bei der zügigen Beantwortung? Keine Sorge sie sind in guter Gesellschaft. Damit haben sehr viele Menschen ihre liebe Not.
In vielen Gesprächen, die ich führe, überwiegt oftmals die Wahrnehmung in einer Flut von Sorgen und negativen Erlebnissen zu ertrinken. Dies führt dann in vielen Fällen Schritt für Schritt in eine Depression (oder neudeutsch auch Burn-out).
Einer meiner Freunde arbeitet als Beratender Psychologe in Betrieben und nannte mir bei einer Diskussion einmal die Grundemotionen, die uns Menschen „bestimmen“ ….
Dies sind, wenn ich es noch richtig in Erinnerung habe, Neugier, Ärger, Angst, Freude, Ekel und Trauer. Man könnte eventuell noch Interesse, Schuld, und evtl. Scham hinzufügen.

Warum ist es jetzt so das wir sehr schnell, lange und intensiv negative Gefühle wahrnehmen und uns lange daran erinnern? Und wie kann es sein, das die positiven Erlebnisse es so viel schwerer bei uns haben?
Positive Gefühle sind zwar schöner, doch die negativen Gefühle, gekoppelt an Vorsicht und Alarm haben über Jahrtausende unser Überleben gesichert. Das ist unser Erbe, so sind wir konditioniert. Es war wichtiger für unseren Erfolg als Spezies sich an die negativen Erfahrungen von gefährlichen Situationen wie z.B der Begegnung mit einem Raubtier zu erinnern als an die leckeren Beeren am Flussufer. Dies sicherte das Überleben. Doch dieses Erbe und Fokussierung ist in der heutigen Zeit fatal.Die Raubtiere sind verschwunden. Doch anstelle dessen werden wir mit einer riesigen Menge an unangenehmen Erlebnissen der gesamten Welt im Minutentakt überschwemmt. Gleichzeitig verstärkt sich durch die Dichte des Lebens der Eindruck von Hektik und Getriebensein.
Um hier ein Gegengewicht zu schaffen, gebe ich oft einen Tipp zu folgendem Hilfsmittel.

Man solle doch bitte in der Hosentasche, immer maximal 10 schöne, stabile 3 D Karten haben. Immer, wenn man während des Tages etwas erlebt, das als positiv, als Erfolg empfunden wurde, was dem Betreffenden Freude oder einen Glücksmoment bereitet, soll er/sie bitte eine dieser Karten nehmen, sie kurz anschauen und in die andere Hosentasche stecken.
Wie mir berichtet wurde, war das am Anfang nicht ganz so einfach. Einige Kollegen berichteten davon das sie manchmal am Abend ziemlich lange überlegen und nacharbeiten mussten, weil noch alle Karten in der einen Hosentasche waren.
Aber die Fähigkeit, die Übung zur Wahrnehmung solcher positiven Momente wächst von Tag zu Tag. Und so wandern bei etlichen der Kollegen, die bereit waren sich auf dieses Experiment einzulassen, heute schon recht viele Karten von der einen in die andere Hosentasche.
Was der Grund für eine positive Karte ist? Das muss jeder für sich entdecken. Es gibt keine Patentrezepte. Doch stets wandert eine Karte von der einen in die andere Tasche.
Bevor man dann den Tag beschließt, schaut man sich die Karten nochmals an, und erinnert sich so jeweils an die Erfolge des Tages. Man lernt das nicht die negativen Wahrnehmungen bestimmend sein müssen.
Mit der Erinnerung an die positiven Erfahrungen reaktivieren sie ihre Wirkung auf sie selber und ihr Umfeld.

Schenk Dir einen wunderbaren Gedanken damit du wieder fliegen kannst …. (Aus Peter Pan)

Positiv MEMORY …….

Drei Siebe…..

Beruflich kontrolliere ich in diesen Minuten gerade viele Berichte in den Zeitungen und im Internet. Ich merke dabei, dass mich doch einige Beiträge ärgern. Sie sind meines Erachtens unvollständig und falsch. Aber das ist zugegebenerweise nur (!?) meine Sicht der Dinge. Doch wieso soll ich mich eigentlich ärgern, bin ich es doch selber der sich dies Nachrichten abholt?! Und dabei fällt mir eine schöne Anekdote zu der heutigen Informationsflut ein, die ich vor langer Zeit einmal gehört habe.

Ganz aufgeregt kommt ein Mann zu einem Weisen gerannt: „Ich muss dir etwas erzählen, das kannst du nicht glauben ………..

Der Weise unterbrach ihn: „Halt!“ Der Mann war überrascht.

„Hast du das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe gesiebt?“, fragte der Weise.

„Drei Siebe?“, wiederholte der Mann verwundert.

„Richtig, drei Siebe! Lass uns prüfen, ob das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe passt. Das erste Sieb ist die Wahrheit. Ist das wirklich wahr, was du mir erzählen willst?“

„Nun ich habe es selber erzählt bekommen und …“

„Na gut. Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft. Das zweite Sieb ist das der Güte und Qualität. Wenn es offenbar nicht ganz sicher ist, dass es wahr ist, was du mir erzählen möchtest, ist es dann wenigstens gut, erfreut es mich?“

Zögernd antwortete der Mann: „Nein, im Gegenteil …“

„Dann”, unterbrach ihn der Weise, „lass uns auch noch das dritte Sieb anwenden. Ist es wirklich unabdingbar, wichtig und notwendig, mir zu erzählen, was dich so aufregt?“

Nachdenklich antwortet der Nachrichtenüberbringer “Wichtig ist es nicht und notwendig auch nicht unbedingt.“

„Also mein Freund“, lächelte der Weise, „wenn das, was du mir erzählen willst, weder zwingend wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es lieber sein und belaste dich und mich nicht damit.”

Diese Siebe heute selber bei dem aktiven Abruf von Informationen zu verwenden ist in Zeiten des Internets nicht mehr ganz so einfach aber sicherlich vonnöten.

Sage nicht alles, was du weißt, aber wisse immer, was du sagst.
(M.Claudius)

Drei Siebe…..

Wer Ungerechtigkeit sucht, braucht keine Laterne.

An einem schönen Spätsommertag, es muss so ungefähr 1967 gewesen sein, nahm mich mein Vater mit zum Heu einfahren zu dem Bauern, bei dem er als Landarbeiter eingestellt war.
Die Ballen wurden, völlig anders wie heute direkt aus dem Heuballenpresser auf die hinterherfahrenden Wagen geworfen. Ein spezieller Haken, einem Fleischerhaken ähnlich wurde in den Ballen geschlagen und diese mussten dann von Hand auf dem Wagen gestapelt werden. Überbreit und extrem hochbeladen schwankten diese Anhänger dann über die Ländereien.
Ich war recht stolz nicht nur mit auf dem Traktor neben meinem Vater sitzen zu können, sondern auch mit dem für mich damals beeindruckenden Gespann, zum Bauernhof mitfahren zu dürfen.
Mein Vater und die anderen Landarbeiter stapelten anschließend die Heuballen in der Scheune. Bis unter das Dach und auf einen zweiten Dachboden mussten die Ballen gelagert werden. Wortlos und schwitzend schufteten die Männer und auch ich war mitten dazwischen.
Der Geruch des getrockneten Grases und der allgegenwärtige Staub kitzelten in der Nase. Ich hatte nie verstanden, wieso die Männer auch in diesen Sommermonaten mit schwerer Landarbeiterkleidung eine solche Arbeit verrichteten. Ich selber genoss die Tage mit kurzer Hose und kurzem Shirt. Ein Blick auf meine später geröteten und juckenden Arme und Beine belehrte mich eines besseren.

Kein Wort des Lobes oder auch nur ein zwangloses Gespräch zwischen Bauer und meinem Vater oder seinen Kollegen hatte ich bei diesen oder vorherigen Gelegenheiten gehört. Das war sowieso in unserer Heimat fast undenkbar. Diese Distanz bzw. eine solche krasse Klassengesellschaft zog sich durch fast alle Lebensbereiche. Bis in die Kirche hinein gab es sorgsam getrennte Bereiche zwischen der Landarbeiterschaft und den Bauern. Damals war dies in einem Teil des Rheiderlandes normal, heute schüttelt man angesichts solchen Verhaltens nur noch den Kopf.

In Rekordzeit hatten wir die Wagen entladen. Der Bauer hatte das Ganze aus der Entfernung beobachtet, kam bei uns vorbei grinste mich an und meinte zu meinem Vater. Mensch Martin der Junge hat ja richtig Kraft und das wird einmal ein tüchtiger Arbeiter. Da kannst Du stolz sein und er kann gerne bei mir anfangen.
Ich platzte fast vor Stolz und wunderte mich nur über die spürbare fast aggressive Wortlosigkeit meines Vaters. Später, auf dem Weg nach Hause war mein Vater immer noch still. Erst auf der Höhe der Kirche hielt es ihn nicht mehr. Plötzlich und unvermittelt griff er meine beiden Oberarme so stark das es fast weh tat. Er schaute mich direkt an, mit einem Gesicht, in dem es arbeitete. Die Augen starr auf mich gerichtet presste er heraus. Nie gehst Du zu einem Bauern, verstehst du, nie wirst Du Landarbeiter merk Dir das! Du wirst kein Landarbeiter!
Dann ließ er mich wieder los und marschierte stumm weiter. Außer einem Erschrecken über diesen Ausdruck im Gesicht meines Vaters waren da kindliche Gefühle, die mich trotzig machten und an die ich mich bis heute gut erinnere. Hatte ich etwas falsch gemacht? Hatte der Bauer mich denn nicht gelobt? Ich war richtig stolz auf mich selber und wütend auf meinen Vater. Wieso konnte er mich nicht auch loben? Nie wieder haben wir über diesen Tag gesprochen.
Nach diesem Tag wurde ich aber auch nie mehr mitgenommen zur Hilfe auf dem Bauernhof. Zwar arbeitete ich oft auf dem Feld aber immer nur, wenn es um unsere eigenen Angelegenheiten ging.

Erst sehr viele Jahre später war es mir möglich meinen Vater und seine damalige Reaktion zu verstehen. Da sein Vater, mein Opa, leider im Krieg verschollen war, mussten die Kinder die Schulausbildung vernachlässigen und von Kindesbeinen an in der Landwirtschaft arbeiten. Er hat als Landarbeiter eine unvorstellbare Unfreiheit, nicht die Spur von Wertschätzung oder Achtsamkeit im Umgang, die totale Bevormundung und eine Ausbeutung erfahren, wie wir sie nur noch aus fernen Erzählungen kennen. Krankheit oder Widerspruch konnte die sofortige Arbeitslosigkeit als Konsequenz haben oder der Rauswurf aus der Landarbeiterkate.
Für meinen Vater muss das Lob des Bauern und die Andeutung des gleichen Schicksals für seinen Sohn eine Höllenqual gewesen sein.
Er war damals nicht in der Lage seine Gedanken und seine Gefühle auszudrücken.
Er wusste aber, dass seine Kinder nicht sein Schicksal erleiden sollten.
Weder ich noch meine Brüder haben uns trotz Traktorbegeisterung und stets auf dem Feld arbeitend als Landarbeiter beworben und nichts machte, so glaube ich im Nachhinein, meine Eltern glücklicher. Es war ihr Wunsch und ihr unausgesprochenes Ziel die selbst erlebte Ungerechtigkeit nicht auch bei ihren eigenen Kindern erleben zu müssen.

Ich habe im Rückblick auf die Erfahrungen meiner Eltern verinnerlicht, wie wichtig in einer fairen Zusammenarbeit Sinn, Sicherheit und Wertschätzung ist. Die Basis menschlichen Handelns sollte der Respekt gegenüber dem Menschen sein. Das haben meine Eltern zu selten erlebt und sie hätten es wie viele andere so sehr verdient.

Du siehst die Dinge und fragst „Warum?“ Doch ich träume von Dingen und sage „Warum nicht?“ (G.B.Shaw)

Wer Ungerechtigkeit sucht, braucht keine Laterne.

Ich kann die Achtung aller Menschen entbehren, nur meine eigene nicht.

Vorweg – bevor der Plagiatsvorwurf zu einer Untersuchung führt 🙂 Das Zitat oben ist von Bismarck

Was immer wir auch tun, es gibt immer jemanden, dem das missfällt, der das ablehnt und in heutiger Zeit auf jede nur erdenkliche Weise kritisiert.
Der Maßstab, nach dem diese Kommentierungen geschehen, sind nicht immer nachvollziehbar. Umso weniger können Sie Maßstab unseres Handelns sein.

Aus dem arabischen Raum gibt es dazu ein Gleichnis:
Ein Vater reitet auf einem Esel zum Markt. Neben ihm läuft sein kleiner Sohn. Es gibt böse Kommentare, – seht euch den an, der lässt seinen kleinen Jungen neben dem Esel herlaufen.
Der Vater steigt ab und setzt seinen Sohn auf den Esel.
Kaum sind sie einige Schritte gegangen und die ersten Kommentare fallen. Seht euch das an, da sitzt der junge Kerl wie ein Pascha auf dem Esel und der alte Vater muss gehen.
Der Vater setzt sich zu seinem Sohn auf den Esel.
Die nächsten Passanten erregen sich über dieses offensichtlich Tierqälerische Verhalten.
Seufzend steigen beide ab und laufen neben dem Tier her.
Dies führt einige Meter weiter zu den belustigten Kommentaren. Wie blöd müssen die beiden sein, da haben sie einen Esel und reiten nicht auf ihm?

Die in dieser Geschichte enthaltene Lebensweisheit:

Egal wie wir uns anstrengen wir werden es den anderen nie recht machen können. Andere Menschen können nicht unser Maßstab sein.
Wir müssen für uns selber, für unsere Maßstäbe, für unsere Werte, entscheiden, was wir für richtig oder falsch erachten.
Aus Angst vor Ablehnung, Kritik oder sonstigen Nachteilen sollte man sich nie davon abhalten lassen das zu tun, was man nach sorgfältiger Abwägung für richtig erachtet.

Ich kann die Achtung aller Menschen entbehren, nur meine eigene nicht.

Reden halten zu dürfen ist gigantisch

Im Jahr 1981 wurde zur großen Friedensdemonstration in den Bonner Hofgarten aufgerufen. Auf der Werft spielten die damaligen politischen Diskussionen fast keine Rolle.
Von unserem Betriebsrat kamen so gut wie keine Informationen. Ich konnte das nicht verstehen. In jugendlichem Eifer fing ich an, für diese Demonstration zu werben.
Zwar war ich schon das eine oder andere Mal bei verschiedenen Anlässen mit einem Wortbeitrag in der Menge in Erscheinung getreten, aber dies recht zurückhaltend. Immerhin war ich erst kurz aus der Ausbildung und suchte meinen Status in unserem Team. Als etwas kritischer und widerspenstiger bzw. widersprechender Mitarbeiter hatte ich sowieso keinen so ganz leichten Stand bei meinem Meister.
Dennoch entschied ich mich mit heißem Herzen dafür, die Demo Plakate in den Pausen in die Aufenthaltsräume zu bringen und Werbung für die Teilnahme zu machen.
Das wurde ein heißer Tanz. Viele der Kollegen waren nicht nur bei der Bundeswehr gewesen, sondern auch noch überzeugte Reservisten. Diese Alpha Männchen fielen unter allgemeinem Gejohle über den Grünschnabel her wie ein Rudel Hyänen. Zwei Wochen lang war es ein intensiver Kampf um die Plakatplätze am schwarzen Brett. Ich weiß nicht wie viele Plakate ich, nachdem sie manchmal noch während der Pause heruntergerissen wurden, wieder angebracht habe.
Doch mit einem unverbesserlichen ostfriesischen Dickschädel gesegnet ließ ich mich in keinster Weise einschüchtern. Trotz massivem Gegenwind bekam ich doch immer mehr Zuspruch und spürbaren Respekt.
Diese Erfahrungen war auch für den nächsten Tag notwendig. Das, was mir dort passierte hätte ich sonst kaum unbeschadet überstanden. Kurz vor dem Feierabend entwickelte sich im Maschinenraum unseres Gastankers ein heftiges Streitgespräch mit zwei ehemaligen Berufssoldaten. Anders als heute glichen die Maschinenräume damals großen leeren Hallen mit beeindruckenden Fundamenten auf denen später die Antriebsmaschinen montiert wurden. Es sammelten sich immer mehr Zuhörer, ich stand auf dem Maschinenfundament und wehrte mich mit meiner nicht leisen Stimme nach Leibeskräften. Vom Hauptdeck über das Zwischendeck bis zum Doppelboden schauten und hörten uns wie in einem Amphitheater fast 100 Menschen zu. Es war keine inhaltlich bemerkenswerte Debatte zur Friedensdemo. Sie war laut, sie war agressiv, sie war voller Emotionen, aber sie machte wahnsinnig Spaß! Ich habe so gebrannt, ich war so unendlich fokussiert, ich war so bei mir selber – es hätte Stunden so gehen können. Doch die Sirene zum Arbeitsende beendete das Spektakel.
Beim Herausgehen schlugen mir verschiedene Kollegen auf die Schulter. Diese Respektbezeugung vergaß ich nicht. Obwohl ich am Abend und die nächsten Tage heiser war, diesen Augenblick werde ich nie vergessen und er war der Beginn einer Betriebsratskariere.
Doch noch etwas anderes habe ich gelernt. Ich habe gelernt welchen Unterschied es macht ob man eine Rede halten muss oder eine halten will.
Wie unendlich viele langweilige uninspirierte und anödende Reden habe ich in den letzten Jahren über mich ergehen lassen müssen.
Ich hatte vorher weder in der Schule noch in der Ausbildung gelernt über etwas zu sprechen was mir wirklich am Herzen lag. Man musste immer das referieren was und wie es die Lehrer wollten.
Sowohl bei der Motivation zur Friedensdemo, bei unseren späteren Kämpfen um die Emsvertiefung, bei den verschiedensten Gelegenheiten war es mir vergönnt meine Zuhörer anzustecken. Es ist so unendlich schön wenn man in der Lage ist zu inspirieren, Begeisterung und Leidenschaft zu teilen und Emotionen zu wecken.
In Hattingen war ich auf einer großen Demo zu einem Grußwort. Da standen dort die Menschen deren Lebensmittelpunkt, das Stahlwerk, geschlossen wurde. Leere Worte schleuderten viele Redner über ihre Köpfe hinweg, Phrasen und aufgewärmte Konserven.
Vom Rednerwagen aus hat man einen Blick in die Gesichter.
Man spürt die Emotionswellen, wenn man alle Sensoren auf Empfang stellt.
Und es ist so unglaublich schmerzhaft, wenn das Feuer in den Augen erlischt, in einem Schwall von Worten gelöscht wird.
Ich habe daraufhin meinen vorbereiteten Redetext einfach vergessen und mich auf eine vor mir stehende Familie mit ihren Kindern konzentriert. Zu ihnen habe ich so gesprochen, wie ich es mir gewünscht hätte, wenn ich dort mit meinen Kindern gestanden hätte. Nach nur wenigen Worten war spürbar eine Verbindung da. Es fühlte sich an wie eine warme Dusche.

Lebendige Reden zu halten ist das schönste, was man sich vorstellen kann.

Die Zutaten für eine gute berührende Rede sind die Einheit von Inhalt, Redner und den Menschen die zuhören. Und vor allem man muss der Vortragende es genießen und nicht erleiden!
Sie müssen es mögen dort stehen zu dürfen! Das, genau das merken die Menschen. Sie können sich viele Fehler erlauben, sie müssen nicht perfekt sein. Sie müssen das was sie zu sagen haben auf ihrem Herzen spazieren tragen denn dann strahlen sie das nach außen und damit erzeugen sie Reaktionen bei ihren Zuhörern. Diese merken sofort was sie da machen, ob sie nur schnell davon kommen wollen ob sie nur verkaufen ob sie tricksen.

Die Menschen rührt das Authentische. Die Menschen schätzen klare Ansagen. Doch vor allem respektieren die Menschen Ernst und Überzeugung. Ich habe in mehreren Jahrzehnten erlebt, wie sehr gefühlte Kompetenz wirkt.

Ich habe gelernt, dass ich die Rede bin. Körper und Sprache sind nur Mittel zum Zweck.
Ein Schauspieler spielt seine Rolle. Als Menschenfischer spielen sie keine Rolle sie sind die Figur, sie sind (!!) die Hauptfigur.

Reden halten zu dürfen ist gigantisch