Auf dem Gelände unserer Neptun Werft am Altstandort in Rostock befand sich als Überbleibsel des 2. Weltkrieges ein ansehnlicher Hochbunker.
Dieser graue Betonklotz war imposant und schwer zu knacken. Weil er seiner Beseitung so einen hartnäckigen Widerstand entgegensetze, war er im Laufe der Zeit zu allem Möglichen benutzt worden. 1998 lagerten in dem Monstrum auf mehreren Stockwerken zigtausende von Personal und Krankenakten der vormaligen Poliklinik der Neptun Werft sowie Zeichnungen und Projektunterlagen von Schiffsprojekten.
Vieles mussten wir als Rechtsnachfolger der Neptun Werft weiter archivieren.
Es war eine gruselige Angelegenheit, in diesen muffigen dunklen Räumen voller Ungeziefer zu sichten, was denn tatsächlich noch gesichert werden musste und was wir entsorgen könnten. Nach längeren Hin und Her entschieden wir uns dazu, einen Großteil der Unterlagen aus dem Verlies zu holen und in unser Gefängnis nach Warnemünde zu verbringen (Zu unseren Besitztümern zählte bei dem Kauf der Neptun Industrie, neben einigen Plattenbauten auch tatsächlich ein ehemaliges Gefängnisgebäude in der unmittelbaren Nachbarschaft zur Warnow Werft).
An einem schönen Donnerstag Sommerabend sah ich bei der Heimfahrt nach Papenburg Bauarbeiter mit einem Bagger bei Abbrucharbeiten auf dem Gelände der Werft.
Entgegen meiner üblichen Gewohnheiten fuhr ich schon am späten Sonntagnachmittag wieder zurück, um am Montagmorgen sehr früh Termine wahrnehmen zu können. Die Gedanken an die bevorstehenden Entscheidungen zum Aussuchen bzw. Transport der Akten ließen mich nicht los und so fuhr ich spätabends doch noch an dem Bunker vorbei um einen Blick auf die Regale zu werfen. Nachdem ich die zweiflügelige schwere eiserne Eingangstür aufgeschlossen hatte, reagierte der Lichtschalter im Flur nicht. In merkwürdig muffiger und schwülwarmer Luft ging ich im Halbdunkel weiter und suchte meine kleine Mac Lite, die ich damals immer dabei hatte. Etwas wunderte ich mich über die knisternden und knackenden Geräusche an meinen Füßen und überraschend vieler Mücken in der Luft. Ich war im Halbdunkel ca. 5 Meter in den Flur hineingegangen, hatte die Taschenlampe endlich in der Hand und sah in ihrem Lichtschein vor, neben und über mir „lebenden Beton“. Wie in einem Indiana Jones Film kroch, schlängelte, krabbelte und flog es überall auf dem Boden, an den Wänden und sogar an der Decke. Insekten über Insekten. Erst im Nachhinein erfuhr ich das die von mir beobachteten Bauarbeiter die Strom bzw. Dampfleitung gekappt hatten. Dadurch war in dem Bunker die Belüftung ausgefallen und in dem entstandenen subtropischen Klima im warmen vorderen bzw. oberen Teil der Anlage hatte es eine wahre Explosion dieser Tierchen gegeben. Rückwärts bin ich wieder zur Tür heraus. Dabei trat ich auf viele Insekten. Es hörte sich an, als wenn ich auf Eierschalen treten würde. Ich bin mir sicher das ich draußen kalkweiß ausgesehen habe. Mir wurde eine Gänsehaut nach der anderen beschert. Ich habe mich im Laufschritt zur nächsten Toilette begeben, panisch komplett entkleidet, die Kleider ausgeschüttelt die Haare gekämmt und gewuschelt, um nur ja keines dieser Krabbeltiere als Gast mitzunehmen. In den nächsten Tagen haben wir einen Kammerjäger sein Werk an dem hermetisch abgedichteten Bunker vollbringen lassen. Anschließend sind bedauernswerte Mitarbeiter mit Schutzanzügen in den Bau gegangen, haben einen kleinen Container mit toten Insekten gefüllt, anschließend die Unterlagen gesäubert ebenfalls in Container eingelagert und nach Warnemünde geschafft.
Ich bin bis zum Verkauf des Bunkers kein einziges Mal mehr in dem Schutzbau gewesen. Doch seit der Zeit erinnere ich mich bei Terrarien im Supermarkt, im Zoo, oder auch bei alten Indiana Jones Filmen immer wieder an die Bilder dieses Flurs und auch die Gänsehaut meldet schlagartig wieder Unbehagen.