Seit Jahrzehnten erlebe ich das Spannungsfeld zwischen Politik und Wirtschaft aus nächster Nähe. Einiges hat sich in dieser Zeit verändert. Ich habe das Gefühl und mache die Erfahrung das Politik und Wirtschaft sich offenbar voneinander entfernen.
Fremdheit greift um sich. Dieses wachsende Misstrauen bzw. gegenseitige Unverständnis ist fast mit Händen zu greifen.
Bill Clinton´s legendärer Wahlkampfmanager James Carville prägte 1992 den Satz „It’s the economy, stupid!“ Dieser Zettel hing an der Tür der Wahlkampfzentrale der Demokraten. Seinem Team sollte bewusst werden, dass eine Verteilung sozialer Wohltaten erst durch eine stabile erfolgreiche Wirtschaft möglich würde.
Ist dieses Bewusstsein heute überall Maßstab der Politik?
Ich sehe wenige Verantwortliche aus der Wirtschaft die sich in der aktiven Politik tummeln und verstehen, wie dort Abläufe funktionieren. Umgekehrt gibt es auch zu wenige Politiker, die einen wirklichen Bezug zu den Bedingungen in der realen Wirtschaft haben. Soziale Marktwirtschaft und unsere Wirtschaft brauchen einander mehr als dies vielen Beteiligten klar ist. Ohne eine wettbewerbsfähige und funktionierende Wirtschaft, ohne Betriebe die Gewinne erwirtschaften, wäre der Sozialstaat nicht existenzfähig.
Diese Wahrheit wird in ideologischen Denkmustern gerne einmal vergessen.
Unser Staat bricht zusammen, wenn die wirtschaftliche Basis für Wohlstand und Investitionen in unserem Gemeinwesen in sich zusammenfällt.
Daher ist jede Hilfe zu Innovationen und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit kein Geschenk an die Wirtschaft, sondern eine strategische politische Investition in die Zukunft des Staates.
In Abänderung des Greenpeace Satzes könnte man sagen: „Erst dann wenn wir nicht mehr genügend wettbewerbsfähige Betriebe haben, erst dann, wenn die meisten Produkte aus Asien kommen, erst dann werden wir merken, wie unabdingbar eine vitale, starke und konkurrenzfähige Wirtschaft für das Gemeinwohl ist.
Die Betriebe brauchen andererseits auch die Verlässlichkeit einer Politik, um für die Zukunft planen zu können. Ein politisch stabiles und verlässliches System ist für die strategischen Planungen der Unternehmen unendlich wertvoll.
Durch Veränderungen in der Gesellschaft und die beeindruckenden Exporterfolge glaubt man zunehmend häufiger, keine besondere Rücksicht auf die Wirtschaft mehr nehmen zu müssen.
Betriebe sind aber keine experimentellen Werkstätten für eine bessere Welt. In einem früheren Blogg hatte ich schon darauf hingewiesen, welche Auswüchse dies schon teilweise annimmt.
Betriebe sind (und das ist nicht verwerflich) Zweckgemeinschaften zur erfolgreichen d.h auch möglichst gewinnträchtigen Produktion von Waren, Gütern und Dienstleistungen. Sie dürfen nicht Spielball eines Politikbetriebes werden, der grundlegend anders funktioniert wie die Wirtschaft.
In der Politik geht es in den weitaus meisten Fällen um Regelungen für den jeweiligen recht kurzen Zeitraum, in dem man gewählt ist. Beschlüsse mit positivem Verteilcharakter sollen möglichst kurzfristig greifen, jene die zu Belastungen führen liegen möglichst außerhalb des aktuellen Regierungszeitraums.
Bei Betrieben gelten völlig andere Zeitdimensionen. Dort wird in Zeiträumen von mehreren Jahren oder wie bei uns in Generationen gedacht.
Eine zukunftsgerichtete Wirtschaftspolitik muss deshalb auch einen völlig anderen zeitlichen und inhaltlichen Fokus haben der zu dieser Sichtweise von Betrieben passt.
Es werden in einer solchen Geschwindigkeit Gesetze, Verordnungen und Reglementierungen eingeführt, dass man sich schon die Frage stellen muss, ob wir tatsächlich glauben, dass wir damit den Wettbewerb um Arbeit und Auskommen auf der Welt gewinnen werden?
Durch unkalkulierbare Sprünge wie z.B im Energiesektor, oder z.B bei der Veränderung der Leih,- und Zeitarbeit oder bei der Nutzung von Werkverträgen ist in den letzten Jahren viel Vertrauen in Verlässlichkeit verlorengegangen.
Natürlich ist es das Recht und die Pflicht der Politik in einer Demokratie Parameter des Handelns zu verändern.
Leider wird oftmals kaum ausreichend bedacht, welche wirtschaftlichen oftmals nicht mehr auszugleichenden Kollateralschäden, diese Entscheidungen für viele Betriebe nach sich ziehen können, wenn plötzlich andere Planungsprämissen angenommen werden müssen.
Wir sind nicht unverwundbar. Wir Deutschen sind doch leider nicht mehr diejenigen, die mit den meisten Ideen, mit der innovativsten Technik oder mit den außergewöhnlichsten Ideen glänzen. Nein das sind wir schon lange nicht mehr. Wir leben schon sehr viel stärker und viel zu sehr aus den Erfolgen der Vergangenheit. Dies gilt es zu erkennen, Rückschlüsse und Lehren daraus zu ziehen.
Die rasende Entwicklung auf der Welt und die Entfremdung von Politik und Wirtschaft, verstärkt durch eine Kultur der Saturierung in der Gesellschaft, das ist eine durchaus reale Gefahr und Herausforderung für uns alle.