Gerade erlebe ich eine Art von Betriebsratsarbeit die mich doch nachdenklich macht. Enorm viel Zeit, Energie, Kreativität und Zuversicht wird vernichtet durch eine Betriebspolitische Ausrichtung die eher dem Stil der frühen 50er Jahre entspricht. Industrie 4.0 und die damit verbundenen Veränderungen in Technik, Organisation und Menschen müssen bewältigt werden. Dies gelänge am besten gemeinsam. Das gelingt uns sicherlich nicht mit Klassenkampf. Dies veranlasst mich gerade im Hinblick auf die aktuelle Situation bei uns dazu, einige provokante Gedanken zu skizzieren.
Die Arbeitswelt wird sich gravierend, wenn nicht gar revolutionär verändern. Digitalisierung, Virtualisierung und Flexibilisierung, eine immer stärker globalisierte Wettbewerbssituation und die demographischen Herausforderungen werden die Arbeitswelt und unser gesamtes Leben extrem verändern. Eine Arbeitnehmervertretung, die diese Zukunft aktiv mitgestalten möchte, kann keine überkommene alte Konfliktpolitik mehr vertreten.
Nur immer wieder Nein zu sagen oder den Gegenüber reflexartig als Gegner zu sehen, führt in eine Sackgasse. Die strukturellen notwendigen Veränderungen und Anpassungen in Unternehmen verlangen eine andere, eine revolutionierte Art der Interessenvertretung.
Zukunftsgerichtete Betriebsratsarbeit kann nicht darin bestehen, vor der Zukunft und dem tiefgreifenden Wandel die Augen zu verschließen und sich den Erkenntnissen und Notwendigkeiten aus diesen Entwicklungen zu verschließen.
Nicht mehr vorrangig der Konflikt erzeugt zukünftig Gestaltungsmacht und Einfluss der Betriebsräte. Macht und Einflussstrukturen, die nach alten Konfliktmustern agieren, werden zunehmend in Frage gestellt durch hochqualifizierte sich ihrer Selbstständigkeit bewussten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Kompetenz und Transparenz im Handeln, Kreativität, Außergewöhnlichkeit sowie Schnelligkeit bei Problemlösungen, die Schaffung individueller Freiräume für immer mehr autonom und eigenverantwortlich handelnde Menschen, – das werden die Herausforderungen an die Betriebsparteien sein.
Das Modell der kooperativen Partnerschaft im Betrieb auf der Basis eines in die Jahre gekommenen Betriebsverfassungsgesetzes hat bewiesen, wie leistungsfähig es sein kann. Gute und konstruktive Betriebsratsarbeit, die sich an den erwähnten Grundsätzen und nicht an alten ideologischen Mustern orientiert, kann ein sehr wichtiger Wettbewerbsvorteil sein.
Dies jedoch nur dann, wenn der Betriebsrat seine Arbeit als wichtigen und konstruktiven Teil der Führung eines Betriebes versteht.
Die Betriebsratsarbeit der Zukunft hat natürlich das Kollektiv, muss aber auch zunehmend die Wünsche, Stärken und Bedürfnisse des Individuums im Blick haben.
Die Arbeit des Betriebsrates muss ebenso systematisch, prozessorientiert und strukturiert sein, wie dies auf der Arbeitgeberseite „State of the Art“ ist.
Betriebsräte brauchen neben der rollentypischen Sozialkompetenz ein modernes unternehmerisches Bewusstsein und eine ausgeprägte Sensibilität zu betriebswirtschaftlichen als auch wirtschaftlichen Fragestellungen.
Sie müssen die Arbeitsorganisation in Projekten verstehen und Prozessoptimierung auch ihrer eigenen Arbeit aktiv betreiben.
Schon heute bilden wir unsere Auszubildenden durch eine projektorientierte Lernprozessbegleitung besser aus und haben dort schon enorm viel Kompetenz gebündelt, oftmals mehr als dies bei den Betriebsräten der Fall ist.
Nur dann, wenn man aufhört, mit dem Finger auf die andere Betriebspartei zu zeigen, diese aus politischen Gründen zu dämonisieren und stattdessen die Partnerschaft zu betonen, entwickelt sich Kooperation weiter. Und die Arbeitnehmervertretung muss die Mitverantwortung für eine Unternehmenskultur akzeptieren. Nur so kann eine zukunftsfähige Kooperation zu einer gemeinsamen Weiterentwicklung des Betriebes führen.
Bei einer solchen Zusammenarbeit wird eine größtmögliche proaktive Transparenz, eine umfassende frühzeitige und selbstverständliche Einbeziehung und Information des Betriebsrates seitens der Unternehmensleitung selbstverständlich sein.
Wenn man so eine Partnerschaft hinbekäme, das wäre schon toll und würde viele positive Effekte freisetzen.