Warum sind wir bei uns oftmals so geduldig und fast abwartend?
Warum beunruhigt es uns nicht wie schnell anderswo auf der Welt Entwicklungen und Veränderungen stattfinden? Ich habe Bekannte in Übersee, die u.a derzeit im Umfeld von Silicon Valley arbeiten. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der in Teilen der USA und anderswo Innovationen umgesetzt und neue Entwicklungen vorangetrieben werden, bin ich sehr unruhig.
Wir haben in unserem Land ganz ohne Zweifel eine Menge von Menschen, die überaus kompetent und innovativ sind.
Ein bedrückendes Merkmal bei uns ist aber die unglaubliche Langsamkeit, mit der sich Entwicklungen und Veränderungen fast in Zeitlupe durchsetzen.
Die immer noch unbändige Regelungswut von Bürokratie, Datenschützern oder Verbandvertretern unterschiedlichster Couleur führt vielerorts zwar nicht mehr zu einer völligen Blockade aber zu einer Schneckengleichen Entwicklungs, – bzw. Umsetzungsgeschwindigkeit.
Mit dieser Geschwindigkeit respektive Langsamkeit werden wir auf der Welt bald nicht mehr mithalten können. Viele Menschen haben leider mehr emotionale und irrationale Angst vor der rasanten Entwicklung von Technik als vor dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit durch Innovations,- und Veränderungslangsamkeit.
Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft fängt im Kopf an. Die Einstellung zu Innovation und Technik, die mentale Bereitschaft zur Akzeptanz und Entwicklung derselben ist mindestens so wichtig für uns alle, wie die Kosten der Arbeit.
Statt des begeisterten Aufbruchs und einer Gestaltung der technologischen Zukunft leisten wir uns bei vielen Innovationen den Luxus der Skepsis und distanzierten Gemächlichkeit. Ideen zu Innovationen werden zwischen den organisierten Interessen und unübersichtlich vielen Zuständigkeiten oft verschüttet aber vor allem verlangsamt.
Wer heute mit einer unkonventionellen Idee aus der Menge heraustritt, kann, wenn er nicht aufpasst, schnell ein Opfer von den verschiedensten Gruppen werden, wenn diese um ihre Pfründe oder Einfluss fürchten.
Mit Hilfe der neuen Medien werden dann schnell Empörung und Skandale, werden Sorgen und Ängste gezielt mobilisiert. Unübersichtlichkeit, Verunsicherung und Angst bei allen „vermeintlich“ Betroffenen sind die Folge. Jeder meldet sich zu Wort und fühlt sich auch dazu berufen.
Fortschritt in der Technik oder auch in der Wissenschaft sind längst in Gefahr, mit laienhafter Beliebigkeit beurteilt und ausgebremst zu werden.
Aufgrund der massiven skandalisierten Orgie verlieren die „Ideengeber, die technologischen Eliten“, zu oft den unbedingten Willen das als richtig oder notwendig identifizierte, mit aller Entschlossenheit durchzukämpfen. Wer will sich denn schon im organisierten Skandalismus verprügeln lassen?
„Leadership“ und Widerstand gegen die Langsamkeit und Bequemlichkeit wäre so notwendig. Bodo Hombach hat unsere Begeisterung, anderen bei Veränderungen Barrikaden in den Weg zu legen einmal als „Malefiz Gesellschaft“ skizziert. Es wird so viel Energie darauf verwendet nur ja selber zum Zuge zu kommen statt zu helfen Erfolgversprechendes zum Erfolg zu verhelfen.
Jeder will Arbeitsplätze, aber so viele kleben immer noch an der naiven Vorstellung das wir den Wohlstand sichern und verteilen könnten ohne eine permanente technologische und organisatorische Entwicklung, entsprechende Veränderungen, Anpassung und Wandel.
Wir können uns eine rückständige und bremsende Einstellung einfach nicht mehr leisten. Die Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft ist mehr als Technik. Innovationsfähigkeit beinhaltet ein umfassendes Klima der Akzeptanz und Unterstützung für Veränderung – und zwar schneller Veränderung.
Die Konturen der Bedingungen, mit denen wir zu tun bekommen, werden derzeit in Asien sichtbar. Speziell in China werden aktuell die Weichen für eine globale Neuverteilung der wirtschaftlichen und technologischen Zukunft gestellt.
Wir entscheiden heute über unsere Zukunft. Wir müssen die Zukunft von den Chancen her betrachten und gebündelte (Europäische) Innovationskräfte als Lösung, und nicht als Problem betrachten.
Nicht die Entwicklungen auf der Welt ist unser Problem in Deutschland, sondern unsere quälend schwerfällige Diskussion darüber. Wir dürfen die Langsamkeit und unsere überall zu beobachtende Schwerfälligkeit nicht mit den Begriffen Vorsicht, Gründlichkeit oder Sicherheit verwechseln und schönreden.
Wir liegen bei der Entwicklung von Hochtechnologie auf der Welt leider nicht mehr vorn.
Innovationen werden bei uns nicht schnell genug in marktfähige Produkte umgesetzt.
Notwendige Unterstützungen von Produktinnovationen werden nicht vom möglichen gesellschaftlichen Erfolg her betrachtet und bewertet sondern über finanzielle Budgets, die strategische und dynamische Prozesse im globalen Wettbewerb kaum berücksichtigen. Die beste Innovation muss im Sinne einer gesellschaftlichen Nutzenbetrachtung und globaler Konkurrenzfähigkeit beurteilt und gefördert werden. Diese Betrachtung sollte über Innovationen entscheiden, nicht Forschungsbürokratie, Interessengruppen oder Budgets. Meine eingangs beschriebene Unruhe bezieht sich auch auf den Bequemlichkeitsstatus hinsichtlich des zu langsamen Transfers von Ideen und Wissen aus Wirtschaft und Hochschulen. Entsprechende innovative Infrastrukturen zu schaffen ist der erste Weg zu einem Erfolg.
Es ist fast Weihnachten und ich möchte einen Wunsch äußern.
Angesichts der asiatischen Entwicklungsdynamik und unserer eigenen gesellschaftlichen Entwicklung kann ich mir zwar nicht vorstellen das diese Länder uns in Kürze um die Anzahl, Menge und Schnelligkeit von Forschung und Produktentwicklung beneiden. Aber ich würde mir wünschen, dass man uns nicht bemitleidet!