Mit einer erfreulichen Intensität diskutieren wir bei verschiedensten Gelegenheiten über unserer Führungsprinzipien und die Unternehmensgrundsätze.
Eine der Kernbestandteile dieser Prinzipien ist das Ziel, Demotivation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verhindert.
Meine Skepsis mit allerlei Bemühungen „künstliche Motivation“ nachhaltig zu erzeugen, habe in vorhergehenden Beiträgen schon hinreichend deutlich gemacht.
In früheren Zeiten waren die Alchemisten auf der Suche nach der Formel um Gold zu erzeugen. Das hat bekanntermaßen nicht funktioniert. Heute verdienen Unternehmensberater und Buchautoren viel Geld mit vermeintlich allgemeingültigen Zauberformeln wie Demotivation verhindert und Menschen wertschätzend geführt werden können.
Doch was ist eigentlich Wertschätzung?
Mitarbeiter unserer Werft die sich weiterbilden, die sich entwickeln wollen, bewerben sich als Förderkandidaten um eine Unterstützung für diese Weiterbildungen. Bei diesen Präsentationen trifft man auf eine Vielzahl von Menschen, die eine Vorstellung ihrer Zukunft haben und eine durchweg positive Grundhaltung besitzen.
Doch was wünschen sich diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre Arbeitsumgebung?
Eine erste persönliche Feststellung. Es scheint offenbar recht schwer zu sein (vielleicht lernen und lehren wir das auch nicht) ganz konkret immer Wünsche oder Visionen der Zukunft in der Arbeitswelt vorrätig zu haben. Die Erkenntnis, dass solche Wünsche oder Vorstellungen möglicherweise eine vorweggenommene Realität sein könnten und diese als individuellen Antrieb zu sehen, ist leider oft unterentwickelt. Es ist erstaunlich, wie wenig eine solche „Spinnerei“ als Befähigung und Merkmal zu einer gestaltenden, proaktiven Zukunftsarbeit und Führung erkannt wird.
Zweite Feststellung: Oft wird recht allgemein eine bessere Feedbackkultur und Wertschätzung gewünscht. Spannend wird es dann, wenn man hinterfragt, was der Einzelne denn unter Wertschätzung oder Anerkennung versteht.
Die nachfolgend aufgeführten Erfahrungen gewinnt man nur durch ehrliche, gezielte, vorsichtige und vertiefende Interviews.
Bespricht man mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihre Übersetzung zu Begriffen wie Wertschätzung oder Anerkennung und hinterfragt was ihnen wichtig ist, bekommt man fast so viele Antworten, wie man Menschen befragt. Es werden jeweils sehr unterschiedliche „Begriffe“ genannt, die dann mit Wertschätzung oder Anerkennung in Verbindung gebracht werden.
Es werden z.B Worte wie Respekt und Achtung, Ehre, Vertrauen, Solidarität genannt.
Es werden beispielhaft Erlebnisse und Handlungen geschildert bei der die Betroffenen akzeptiert wurden, Erfolg, Anerkennung und Dank erlebten. Sie wurden gefragt, durften mitreden und hatten das Gefühl, das auf ihre Vorschläge eingegangen wurde.
Bemerkenswert ist auch wie man sich noch lange zurückerinnert an Aussagen in denen Dank und Anerkennung zum Ausdruck kommen. Das ist aber toll gelaufen, Super gemacht, Klasse oder cool. So einfache Aussagen die eine unglaublich lange in der Erinnerung haftenbleiben.
Manchmal beschreiben die Kandidaten auch sichtbare Zeichen von Anerkennung (Mimik und Gestik, Händedruck; Schulterklopfen u.ä).
Bemerkenswert auch die Benennung von Gefühlen die sie empfunden haben.… sie erinnern sich an Gefühle, die sie beim Empfang von Anerkennung empfunden haben. Zum Beispiel: Freude, Stolz, Scham, Begeisterung, Glücksgefühl, Selbstsicherheit, Erleichterung usw.
Ebenfalls tief verankert sind aber auch die genau entgegengesetzten Erlebnisse, Situationen oder Emotionen. Die Mitarbeiter wussten meistens noch ganz genau, wann ihnen Anerkennung verwehrt wurde, obwohl sie diese erwartet und möglicherweise auch verdient hatten.
Was sind jetzt die Erkenntnisse aus diesen Erfahrungen?
- Die Alchemisten haben die Formel zur Golderzeugung nicht gefunden und es gibt auch keine universelle Formel zur richtigen wertschätzenden Führung.
- Wenn Menschen darüber reden und nachdenken was ihnen wichtig ist, dann denken sie an ihre individuelle unmittelbare Realität, an ihr tägliches Leben und Erleben. Sie beschreiben Begriffe, Aussagen, Emotionen, Erlebnisse.
- Diese „Wahrnehmungen“ umschreiben und beschreiben das, was den jeweiligen Menschen wichtig ist. Mit dem typischen „Personalbegriff“ Wertschätzung oder Anerkennung können die wenigsten Menschen im Tagesgeschäft etwas anfangen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschreiben Dinge die sie als positiv wahrnehmen.
Bei verschiedenen Veranstaltungen unserer Werft z.B bei unserer jährlichen Jubilarehrung, der Verleihung der sogenannten „Bildungsschraube“ für erfolgreiche Weiterbildung, oder der Übergabe von Ausbildungszertifikaten ist zwar unverkennbar, dass eine Wertschätzung stattfindet. Doch auch dabei würden die Beteiligten dies bei Nachfrage wahrscheinlich unterschiedlich interpretieren. Für die einen wird die Einladung mit Partner oder Partnerin, für den anderen die Ansprache und für noch andere die Überreichung der Urkunde möglicherweise das Entscheidende sein.
Deshalb ist es eine vergebliche Mühe zentral festlegen zu wollen wie genau Wertschätzung oder Anerkennung auszusehen hat. Die Menschen übersetzen die Begriffe Wertschätzung und Anerkennung genauso individuell, wie sie eben auch unterschiedlich sind. Dieser Begriff ist nicht statisch und daher auch nicht genau zu definieren. Die Vielzahl der Veröffentlichungen beweisen, dass man Wertschätzung und Anerkennung theoretisch beschreiben möchte. Dies muss aber aus den dargestellten Gründen unvollkommen bleiben.
Vor allem im unmittelbaren Kontakt kann man erkennen oder erfahren, was dem Gegenüber eigentlich wichtig ist. Erst danach ist man in der Lage Wertschätzung individuell anzuwenden. Würde man anfangen Vorlagen oder Checklisten anzufertigen, entspräche das einem Menschenbild, welches ich nicht teile. Man entmündigt den Menschen, indem man ihm seine Individualität und Einzigartigkeit aberkennt.
Dies bedeutet keineswegs das ich es als unmöglich ansehen würde Wertschätzende und anerkennende Führung in einer Organisation zu verankern.
Wichtig erscheint mir nur der Hinweis, dass wir uns der großen Anzahl von „Möglichkeiten“ und individuellen Szenarien bewusst sind.
In einem vorhergehenden Blog hatte ich schon darauf hingewiesen das der unmittelbare, häufige, natürliche und ehrliche Kontakt, die Beziehung, die Interaktion zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Führungskräften entscheidend und elementar ist. Ausschließlich dort, an dieser entscheidenden Stelle erfährt man, was zu tun ist. Nur dort und nicht in Seminaren oder Büchern wird entschieden, was für die Akteure jeweils wichtig, was wertschätzend und anerkennend in der konkreten Erwartung jeweils bedeutet. Eine fürwahr anspruchsvolle Aufgabe an moderne Führung.