Eine spannende Online Diskussion in meinem Netzwerk veranlasste mich doch zu einem kurzen Gedankensplitter.
Wir diskutierten sehr leidenschaftlich (soweit dies digital überhaupt geht), über Bildung.
Über die Bedeutung von Wissen in einer sich rasant wandelnden und unkalkulierbaren Welt. Was erfordert diese neue Welt an Wissen, an Aus,- und Weiterbildung?
Welche Anforderungen entstehen, nicht nur an Wissen, sondern auch am „Können“?!
Wissen ist doch Macht!? Dieser Glaubenssatz stand im Raum.
Doch ich mochte diese so oft genutzten Sonntagsphrase nicht unwidersprochen stehen lassen.
Ganz ohne Zweifel ist Wissen elementar. Sie ist der unabdingbare Nährboden für eine funktionierende Demokratie. Für freie und offene Gesellschaften, gegen blindwütigen Populismus. Sie ist die Antibiotika gegen die vielen gärenden Eiterherde von Lügen und Legenden (heute Fake News genannt).
Doch helfen uns wohlfeile Phrasen und oberflächliche Sonntagsreden zur Bildung tatsächlich weiter?
Wissen ist heute allgegenwärtig.
Fast unendliches Wissen ist heute nur einen Mausklick weit entfernt.
Doch reines Wissen ist letztendlich brotlose Kunst, wenn diese nicht zur Anwendung kommt!!!
Wir häufen in einer unglaublichen Geschwindigkeit Unmengen von Wissen und Erkenntnissen an. Aber wir scheitern viel zu oft kläglich daran, die Chancen und die Energie dieser Erkenntnisse auch zu nutzen! Sie bleiben zu oft Theorie und werden nicht Praxis!
Eine gute Zukunft erhalten Nationen, Gesellschaften und Betriebe nur dann, wenn einerseits möglichst vielen Menschen chancengleicher Wissenserwerb ermöglicht wird. Wenn dieses Wissen ohne Unterschied und auf allen Ebenen und nicht nur in den Universitäten und Hochschulen vermehrt, aber andererseits im täglichen Leben auch zur Anwendung gebracht wird.
Eine zukunftsorientierte Wissensgesellschaft werden wir nur dann, wenn das Wissen nicht auf einige wenige konzentriert wird. Es gilt den Tendenzen entgegenzutreten, dass sich eine neue Bildungsaristokratie herausbildet.
Schaut man sich die Stellenausschreibungen von heute an, erkennt man schnell ein Muster.
Chancen basieren heute viel zu oft auf der reinen Dokumentation von erworbenem Wissen und weniger daran, zu erkunden welche praktische Bedeutung, welches Können sich hinter der Theorie verbirgt. Welche Bereitschaft und Fähigkeit vorhanden ist dieses auch praktisch umzusetzen. Und unsere heutigen Organisationen und Organigramme wirken wie Sperrwerke gegen die praktische Anwendung von neuem Wissen und draus resultierenden Erkenntnissen.
Wir müssen aber lernen, dass erworbenes theoretisches Wissen die eine und dass das Können und die Bereitschaft zur Anwendung die andere Seite der gleichen Medaille sind. Dies klingt banal, ist aber keine Selbstverständlichkeit!
Schülern reden ganz offen darüber, wie wenig sie glauben, dass ihr erworbenes Wissen ein wichtiger Baustein im Leben sein wird.
Auszubildende wissen in viel zu vielen Betrieben, dass ihr Wissen und ihre neuen Gedanken keineswegs sehnsüchtig erwartet werden!
Wir konzentrieren uns in den besagten Sonntagsreden wesentlich lieber auf die reine Wissensvermittlung. Doch damit springen wir für die Zukunft zu kurz.
Wissenserwerb ohne organisierte, selbstverständliche Anwendung im richtigen Leben, erstarrt und erfriert wie eine Blume in der Arktis.
Die neue Welt, fordert von uns allen extrem schnelle Anpassungen und viele Ideen.
Wer diese Spielregeln akzeptiert und jetzt an die Schwerfälligkeit unseres Landes und vieler Betriebe denkt, der wird sich fragen wie wir dies denn bewerkstelligen können?
Vielleicht indem wir völlig neu denken?
Bisher werkeln viel zu oft nur wenige Spezialisten (oder jene die sich dafür halten) an den Systemen, Bürokratien, an der Gesellschaft, an den Organisationen der Betriebe.
Alle anderen leben in (!) diesen Systemen.
Die Zukunft wird aber von uns fordern das wir alle mit unseren Fähigkeiten, Erfahrungen und unserem Wissen, am System, an der Gesellschaft und an den Betrieben und nicht nur in denselben arbeiten.
Wissen entwickelt uns alle weiter, wenn es nicht nur erworben, sondern angewendet werden darf und soll!
Zukunft bedeutet, dass nicht mehr die Menschen in den politischen oder wirtschaftlichen Rahmen „zurechtgestutzt“ werden, sondern die Menschen ändern Systeme, Ordnungen, Betriebe!
Anpassungsfähigkeit, die Grundlage allen ökologischen und ökonomischen Überlebens, bedeutet dass Menschen mit ihrem kollektiven Wissen ununterbrochen die Umgebungsbedingungen verändern und flexibilisieren.
Alte Organigramme und Hierarchien, zu denen u.a auch die Wissenshierarchien gehören, sind in der entstehenden neuen Welt Relikte einer dem Untergang geweihten Zeit. Nur wer bereit ist liebgewordene Strukturen, Hierarchien, Abläufe und Organigramme grundsätzlich in Frage zu stellen ist bereit für diese Zeit.
Eine solche Diskussion zum Zielpunkt von Bildung zu führen macht Spaß und ist mehr als eine beliebige Phrase in einer Sonntagsrede.