Mit gutem Beispiel voranzugehen, ist nicht nur der beste Weg, andere zu beeinflussen, es ist der einzige.
Albert Schweitzer
Die Gedanken die ich hier schreibe, verlangen mir selber einiges ab. Die ehrliche Reflexion des eigenen Verhaltens ist so notwendig wie schwierig.
Wer seine Meinungen zu strittigen Themen äußert, hört nicht selten die kritische Frage nach dem eigenen Verhalten. Und wer von uns ist schon ohne Brüche und Fehler?
Anleitung von Menschen oder meinetwegen auch Führung jedweder Art, ist keine Frage der erlangten Position. Vielmehr ist die eigene sichtbare Haltung und das konkrete Verhalten die Basis von Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Diese bildet die Grundlage für erfolgreichversprechende Überzeugung und Führung. Führung entsteht auch nicht durch Wahlen, Schulungen, Qualifikationen oder Beförderungen.
Anständige, zukunftsweisende Führung in Politik, Familie und Betrieben beruht viel öfter wie wir dies wahrnehmen wollen, auf Nachahmung einer vorbildhaften Haltung und eines daraus resultierenden Verhaltens statt auf Unterordnung.
Verliert man seine Vorbildfunktion verliert man die Menschen.
Nun mag man mit Hinweis auf heutige Autokraten und ihren Zwillingsbrüdern, den Populisten, Einspruch erheben. Doch Populisten führen nicht, sie verführen Menschen. Sie verkörpern (Star Wars lässt grüßen) die dunkle Seite der Macht, indem sie mit den schlechtesten Eigenschaften der Menschen spielen.
Wie viel Streit, Widerstand und Leid könnten wir uns ersparen, wenn wir selber ehrlich, beispielhaft, nachvollziehbar und authentisch jenen Wandel verkörpern würden, den wir einfordern. Wenn wir wie selbstverständlich andere Meinungen akzeptieren ohne auszugrenzen. Indem wir Menschlichkeit und Freundlichkeit Tag für Tag praktizieren. Indem wir jeden Tag überlegen wie wir Schaden an unserer Umwelt vermeiden (Fahrrad statt Auto; Bahn statt Flugzeug; Strom sparen wo es geht usw. usw.) Wenn sichtbar wird, wie konkret Forderungen an uns alle in einem konkreten individuell verändertem Verhalten münden.
Ob im direkten menschlichen Umgang miteinander, in der politischen Debatte, bei Fragen zum Schutz der Natur, überall ist eine authentische, eine ehrliche Haltung gefragt.
Von Mahatma Gandhi erzählt man sich folgende Geschichte.
Eine Frau kam mit ihrem Sohn von weit her, um Gandhi zu sehen. Sie wahr besorgt, weil ihr Sohn zu viel Zucker aß und, obwohl er davon krank wurde, nicht davon lassen konnte. Sie wartete viele Stunden geduldig und als sie an der Reihe war sagte sie: “Bitte Meister, sagt meinem Sohn, er soll aufhören, Zucker zu essen.” Gandhi blickte dem Jungen tief in die Augen und antwortete dann der Mutter: “Bringt ihn mir in zwei Wochen wieder.” Enttäuscht reiste die Frau nach Hause und kam nach zwei Wochen wieder. Als sie dieses Mal vor Gandhi traten, sagte dieser: “Junge, du musst aufhören, Zucker zu essen.” Aus Respekt vor dem großen Gandhi und seiner Weisheit, versprach der Junge, keinen Zucker mehr zu essen und führte seitdem ein gesundes Leben. Die Mutter aber war verwirrt und fragte Gandhi: “Warum habt ihr das meinem Sohn nicht schon vor zwei Wochen gesagt?” Gandhi antwortet: “Vor zwei Wochen aß ich selbst noch viel Zucker. Ich musste erst damit aufhören.”
Hätten wir so gehandelt wie Gandhi?
Wie viele gute Ratschläge geben wir, ohne unser eigenes Verhalten zu reflektieren? Auch ich gab in meinem Leben schon eine Menge an Hinweisen und Vorschläge. Stets gut formuliert, aber manchmal auch irgendwie leb,- und kraftlos, weil sie nicht authentisch waren.
Oft predigen wir Wasser und trinken selber Wein in unseren vielen Besprechungen und Sitzungen, in Gremien, in der Politik oder gegenüber unseren Kindern. Ganz besonders bewusst wird mir das in diesen Tagen wo wir um den Umgang mit der Zukunft unserer Kinder und Enkel, über die Klimaveränderungen streiten. Wir wissen alle ganz genau was die und wir machen sollten. Doch der Übergang vom wir zum ich fällt schwer. Was tun wir konkret selber um die Welt besser zu machen? Wo sind Vorbild?