Der Corona Virus wird irgendwann besiegt sein. Was wird von dieser Zeit bleiben? Trauer bei denen, die Menschen an diese Krankheit verloren.
Dankbarkeit bei denen, die verschont wurden oder die Krankheit überstanden haben.
Trauer, Wut und Verzweiflung bei all denen, die in Folge des Stillstandes unseres Landes ihre Existenz verloren. Dieser Virus wird irgendwann verschwunden sein. Hoffentlich hinterlässt er bei uns keine gesundheitlichen und zu starken wirtschaftlichen Schäden.
Bild Ewa Mazur/ 123rf.com
Doch auch wenn dieser Virus nicht mehr unser tägliches Leben bestimmen wird, unsere Erfahrungen mit dieser Zeit, die bleiben uns erhalten.
Die Welt nach Corona wird nicht mehr dieselbe sein wie vor dieser Krankheit. Vieles wird sich ändern. Vieles Alte wird schneller vergehen und Neues schneller kommen als gedacht.
Nur das Wissen ist geistig und verklärt,
bis man es in der Realität erlebt und erfährt.
Erfahrung wächst sodann heran,
so nutze beides oft – und nicht nur dann und wann.
Einige alte Worte aus einer „Dichterphase“, die ich schon mehrfach auf Karten geschrieben habe. Warum jetzt eine solche Zeile in diesem Gedankensplitter?
Corona traf auf eine wissende Welt. Wir wussten um unsere Anfälligkeiten.
Wir wussten um die Gefahren.
Wir wussten, dass wir viele Dinge (wie z.B den Gesundheitssektor) aus Kostengründen dicht an den Abgrund gefahren haben. Wir wussten um unsere unzureichenden internationalen Abstimmungsprobleme bei großen Krisen.
Und doch erst jetzt erfahren wir unmittelbar, wie sinnlos und tödlich der Besitz von Wissen, ohne daraus resultierendes Handeln tatsächlich sein kann.
Wir müssen offenbar immer erst Erfahrungen machen – nur dann ändern wir uns.
So erleben wir es bei der Klimafrage und bei der Corona Pandemie.
So machen wir heute unsere Erfahrungen – doch was machen wir später daraus?
- Wir erleben mehr freundliche und zuvorkommende Menschen, als wir gedacht hätten. Wir denken oft die Welt und die Menschen sind alle verrückt geworden. Die schlechten, bösen und absonderlichen Menschen sind nicht die Mehrheit. Wir übersehen in dem täglich brüllenden Medientornado das es viel mehr beeindruckende, mutige und selbstlose Menschen gibt.
Vergessen wir dies nach der Krise wieder? - Was habe ich mich immer heftig mit Impfgegnern gestritten. Sie waren so gegen Impfungen, denn die Toten waren weit weg. Sie kannten diese nicht. Plötzlich sind sie selber und ihre Familien betroffen. Wie werden wir nach Corona über Impfungen diskutieren? Müssen wir erst Nahtod Erfahrungen machen, um klug zu werden?
- Die Diskussion über Internet und Breitbandverbindungen in ländlichen Regionen war bisher kein Massenthema. Doch noch nie fühlte man sich auf dem Land und in älteren Siedlungen abgeschnittener von der Welt als heute. Werden wir uns nach der Corona Zeit die zahlreichen Entschuldigungen und Scheinargumente gegen einen massiven Netzausbau noch so gefallen lassen?
- Viele Firmen erleben ihre Abhängigkeit und Hilflosigkeit, weil ihre IT nicht mehr läuft und der Support zuhause ist. Weil sie eine Cloud bis heute für einen Teil des Wetterberichtes hielten. Wie werden wir morgen darüber sprechen?
- Die bisherigen Selbstverständlichkeiten gibt es derzeit nicht mehr. Eben schnell zur Bank, zum Arzt, zum Friseur. All das was den Tag ausgefüllt hat, wie das tägliche Atemholen, ist plötzlich nicht mehr da.
Wer hat schon jemals in seinem Leben darüber nachgedacht in einen Toilettenpapiermangel zu geraten? Wer hätte es für möglich gehalten das Nudeln, Mehl und Hefe nicht mehr zu bekommen sind?
Das der Urlaub, der schnelle Restaurantbesuch, das Kino oder das Theater Dinge wurden, die plötzlich unkalkulierbar und unplanbar geworden sind. Wie werden uns diese Erfahrungen verändern? Werden wir solche „Erlebnisse“ mehr wertschätzen, als dies heute der Fall ist?
Und, um auf das Toilettenpapier zurückzukommen, werden die Firmen ihre Logistik und Lagerhaltung überdenken? - Die Klage über eine immer schlechter werdende Arztversorgung auf dem Land war bisher, geben wir es doch zu, eine Debatte, die bei vielen jungen Leuten auf der Nebenspur lief. Doch plötzlich trifft dieser Mangel an ärztlicher Grundversorgung nicht mehr nur fremde Omas und Opas. Unvermittelt ist die engste Familie betroffen. Die Kinder und Enkel, der Ehepartner. Wo ist Hilfe? Mit wem kann ich bei völlig überlasteten Notrufleitungen reden? Mit wem kann ich mich austauschen, wenn viele Arztpraxen noch mit Faxgeräten arbeiten?
Wie diskutieren wir darüber nach Corona? - Wir wussten alle, dass wir unser Gesundheitssystem und unsere Krankenhäuser bis an den Rand des Abgrunds gewirtschaftet haben. Pfleger*innen, Ärzte, ja das gesamte System wurde aus Kosteneffizienzgründen an das absolute Limit gefahren. Von Reserven und Puffern keine Spur.
Aufgrund dieser Entscheidungen, dem Wissen ohne Taten, sterben heute Menschen. Wie werden wir nach Corona darüber sprechen? - Und nicht nur bei Toilettenpapier gibt es Probleme. Viel schlimmer sieht es bei den Engpässen und Abhängigkeiten von Medikamenten und Schutzausrüstungen aus. Wie werden wir aus diesen Erfahrungen lernen?
- Wie oft haben wir geklagt über Menschenmassen. Individualität und Distanzen waren angesagt. Und heute? Ich vermisse die Menschenmengen auf dem Wochenmarkt schon. Werden wir diese Bilder und unangenehmen Gefühle von ausgestorbenen Geisterstädten und Kommunen in Erinnerung behalten?
- Wie viele kleine Händler werden sterben, weil die Paketdienste in diesen Wochen noch präsenter und allumfassender wurden?
Werden wir verstehen, respektieren und bei unseren Einkäufen beherzigen, das die kleinen Läden auch nach Corona zu unserem Leben dazugehören? Werden wir diese mit aller Macht unterstützen oder die Bequemlichkeit der Paketdienste nicht mehr missen wollen? - Das hochgelobte Home-Office erweist sich vielfach als (ich komme auf die fehlende Internetversorgung zurück) gut klingende Worthülse. Weder die Netzwerke noch viele IT Systeme von Firmen waren auf diese neuen Anforderungen vorbereitet. Wie werden wir uns in der Zeit nach dem Corona Virus hierzu aufstellen?
Werden wir Systeme in denen Teams nicht über externe Verbindungen zusammenfinden können als das Brandmarken, was sie sind. Hoffnungslos veraltet und nicht zukunftsfähig?! - Auch die Schulen und die Schüler*innen erleben den Unterricht aus einer ganz anderen Warte? Nach allem was ich höre, gibt es gute aber ebenso auch schlechte Erfahrungen. Werden wir diese Erkenntnisse nutzen, um generell über eine Entschlackung des Unterrichts nachzudenken? Indem wir eine gesunde Balance zwischen Präsenzpflicht und einer Wissensvermittlung mit Hilfe der neuen Techniken anstreben?
- Wir erleben Künstler, die ihre erzwungene Distanz nutzen, um neue Formen des Präsentierens ihrer Kunst auszuprobieren. Werden diese Erfahrungen dazu führen das ganze Berufszweige ihre Existenz verlieren werden, oder sind dies Ansätze, um auch Gegenden abseits der Oberzentren einen neuen Zugang zu Kunst und Kultur zu ermöglichen?
Wenn wir unsere aktuellen Erfahrungen nicht verdrängen und vergessen, werden sie uns helfen die Zukunft zu gestalten. Zukunft heißt Anpassung und Veränderung. Das ist das Gesetz des Lebens. Diejenigen die nur immer zurückschauen werden die Zukunft verlieren.