Was wir bei der Bewältigung der Corona Krise aktuell erleben, hätte sich sicherlich keiner von uns bis vor kurzem vorstellen können.
Anfangs wurden noch Witze gemacht, wenn man hustete oder nieste.
„Pass auf – gleich hast Du mehr Platz um Dich herum.“
Heute bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Die völlige Unplanbarkeit und Ungewissheit der vor uns liegenden Zeit wäre vor einigen Wochen unvorstellbar gewesen.
Urlauber sind vor dem Corona Virus ungerührt in Länder geflogen in denen Freiheit und Demokratie ein Fremdwort, Menschenrechtsverletzungen, Terroranschläge und Krieg an der Tagesordnung waren.
Es betraf ja immer nur die anderen? Heute muss man feststellen, dass alles anders ist. Der Virus und die mit ihm reisende Angst erreicht leider mehr als alle Appelle oder das Gewissen.
Ich empfinde einerseits die Krisenorganisation der Bundesregierung als wohltuend professionell. Gott sei Dank gibt es keinen Parteienstreit. Auch der ansonsten gerne immer mal wieder Dynamik bremsende Föderalismus hält sich hier in Grenzen.
Und doch erkennen wir in brutaler Offenheit den Zerfall staatlicher Gemeinschaften auf europäischer Ebene.
Jedes Land agiert für sich und jeweils anders. Als wenn der Virus sich an der Grenze anmeldet und sich in Deutschland anders verhalten würde als in Italien oder Frankreich. Ich nehme dies schmerzhaft wahr und denke, dass für mich im europäischen Denken und Fühlen nichts mehr so sein wird, wie es war.
Meine Frau und ich lieben das oftmals chaotische aber so warmherzige Italien.
Und ich bin glühender, überzeugter Europäer.
Dass es aber ausgerechnet China war, das als erstes Land dem notleidenden Italien zu Hilfe kam und praktische spürbare Hilfe mit der Lieferung von Atemmasken praktizierte, schmerzt wie in glühender Stahl in meinem europäischem Herzen.
Mein Europa stirbt gerade an Herzversagen in Folge eines Virus von um sich greifendem grassierendem Nationalismus und Egoismus.
Ich habe keine Erklärung dafür, warum die Staatenlenker aus Frankreich, Deutschland, Italien und Österreich es nicht schafften oder es gerade jetzt als nicht notwendig erachteten, GEMEINSAM vor die Kameras zu treten und den europäischen Kampf gegen Corona solidarisch zu bestreiten?
Wenn wir schon zu Beginn der Krise so auseinanderfallen, wie wird es erst dann werden, wenn die Entwicklung voranschreitet?
Mit zugekniffenen Augen schauen wir in eine Zukunft, die wir uns nicht vorstellen können.
Wir begegnen einer neuen Herausforderung leider mit viel zu viel altem Denken und einer völlig überholten Ideologie von Nationalismus und Abgrenzung.
Es geht hier zuallererst um Menschenleben. Und diese Leben in den Ländern unserer europäischen Heimat sind nicht unterschiedlich wichtig.
Wenn nicht bei diesem Thema zum Schutz der Menschen, wo denn sonst wäre Einigkeit, Zusammenschluss und eine gemeinsame europäische Strategie machbar und notwendig gewesen?
Wenn bei dieser ersten Herausforderung schon der nationale Egoismus fröhliche Urstände feiert, wie wollen wir denn die menschlichen, die medizinischen aber auch die unzweifelhaften wirtschaftlich desaströsen Folgen der Corona Krise gemeinsam schultern?
Für mich gibt es als Konsequenz aus all den Geschehnissen der letzten Tage ein Europa vor der Corona Krise und es wird für mich ein Europa nach der Krise geben. Nichts wird in meiner politischen Betrachtung und Bewertung unseres Kontinents jemals wieder so sein, wie es einmal war.