Mutig an der Ems!

Genau heute vor 45 Jahren begann mein Arbeitsleben auf der Meyer Werft. Wow – was waren das für Jahrzehnte. Prallgefüllt mit unglaublichen Erlebnissen. So viele beeindruckende Menschen die ich erleben durfte. Und doch hätte ich es mir nicht träumen lassen an just diesem Tag gemeinsam mit allen Kolleginnen und Kollegen vor der vielleicht schwersten Krise nach dem zweiten Weltkrieg zu stehen. Der Blick nach vorne ist voller Sorge und vielen Fragen.
Unsicherheit macht sich breit. Noch haben es nicht alle verstanden welche Herausforderungen jetzt vor uns liegen.

Gestern Abend fiel mir meine Jubiläumsrede von 1995, also einige Zeilen von vor 25 Jahren in die Hände. Beim Lesen habe ich mir gedacht das vieles von dem was wir uns bei der 200 Jahr Feier auf der Alten Werft versprochen haben, auch heute noch gilt.

Vielleicht viel Spaß beim Lesen 🙂
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Rede anlässlich der Jubiläumsfeier der Meyer Werft am 28.Januar 1995

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Kohl, sehr geehrter Herr Minister Habibie, sehr geehrter Herr Minister Fischer, sehr geehrte Gäste, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Familie Meyer.

Im Namen meiner Kolleginnen und Kollegen begrüße ich Sie alle ganz herzlich und bin so stolz, dass hier an dieser Stelle unsere Jubiläumsfeier stattfindet.   Hier an dieser Stelle, an der Generationen von Menschen unseren Betrieb, unsere Werft gemeinsam aufgebaut, sie stark und groß gemacht haben.  Hier an dieser Stelle, wo unsere Werft geboren wurde, wo Kraft, Ideen und alle Energie der Inhaber, des Managements und der Belegschaft schon immer gebündelt wurden, um Erfolg zu haben, Arbeit zu sichern, um zu beweisen was wir können.  Wir sind so unendlich froh, das es uns vergönnt ist diese Feier mit Ihnen allen zu begehen. Wir sind froh und dankbar, dass wir heute an dieser uns so vertrauten Stelle keine Ruine haben, sondern Feste feiern und Versammlungen abhalten können.

Liebe Gäste. Bei einem solchen Jubiläum schlägt man sich gerne selbst auf die Schulter, aber wir könnten kein Jubiläum feiern, wenn wir nicht unsere Kunden hätten. Unsere Kunden, die uns schätzen, die uns mögen und die uns vor allem vertrauen. Wir wissen, dass dieses Vertrauen und diese faire Zusammenarbeit keine Selbstverständlichkeit ist. Verbundenheit zeigt sich insbesondere in schwierigen Zeiten! Unser ganz besonderer Dank ist deshalb keine leere Floskel, sondern kommt tief aus unseren emsländischen und ostfriesischen Herzen.

Sehr geehrter Herr Minister Habibie, liebe Freunde aus Indonesien. Es gibt keine stärkere Verbindung wie jene zwischen Menschen, die sich mögen. In der Zusammenarbeit zwischen unserer Belegschaft und unseren Indonesiern (ja sie sind schon richtige Papenburger geworden und der eine oder andere kann auch schon das eine oder andere plattdeutsche Wort) ist Freundschaft und Sympathie entstanden. Meine Kollegen arbeiten wirklich gerne für Sie und wir mögen Sie einfach sehr gerne. Was soll man mehr sagen? Wir bedanken uns für ihr Vertrauen.

Liebe Gäste und Freude von Celebrity Cruises, liebe sehr geehrte Familie Chandris. Meine Kollegen danken auch Ihnen ganz herzlich für Ihr Vertrauen in unsere Leistungsfähigkeit. Wir wissen um ihre Träume, ihre Erwartungen und Wünsche an ihre Traumschiffe aus Papenburg.  Und diese Belegschaft, liebes Celebrity Cruises Team, verspricht ihnen die Erfüllung dieser Erwartungen.

Liebe Gäste von P&O. Dass wir die ORIANA bauen, das wurde von uns allen von ganzem Herzen gewünscht und erkämpft. Dass Sie uns den Bau dieses wunderschönen Schiffes anvertrauten – wir sind so stolz und glücklich.  Wir haben für die ORIANA all unser Können aufgeboten.

Liebe Freunde, liebe Gäste. Unsere Heimat, alle Emsländer, alle Ostfriesen und nicht nur meine Kolleginnen und Kollegen erfreuen sich an unseren Schiffen, die nicht nur schön aussehen, sondern reinste Hochtechnologie sind. Glauben Sie uns lieber Herr Bundeskanzler – wir sind haben für uns entschieden mit diesen Schiffen zu beweisen, was in uns steckt. Dass wir viel viel mehr können und daß wir auch mehr wollen, als nur Touristenziel zu sein oder schwarzbunte Kühe zu züchten.  Wir sind die älteste Werft mit der weltweit jüngsten Belegschaft (im Durchschnitt 34 Jahre) und wir bieten einer übermächtigen Konkurrenz selbstbewusst die Stirn.  Wir lassen uns nicht unterkriegen.  Wir alle bringen uns viel mehr ein als es vielleicht üblich ist. Wir sind ein Team, wir sind geschlossener und entschlossener als alle anderen um den Erhalt dessen wofür wir alle hart gearbeitet haben zu sichern. Doch nur mit der Gegenwart geben wir uns nicht zufrieden.

Wir wollen eine gute Zukunft für unsere Kinder,  wir wollen eine gute Zukunft für unsere Heimat. Belegschaft und Management arbeiten hart und Hand in Hand für eine erfolgreiche und überlebensfähige Werft und viele neue Industriearbeitsplätze.  Wir wollen einen Ausbau dieser Werft mit noch mehr Arbeitsplätzen bei uns aber auch bei noch mehr Zulieferern aus der Region.
Wir glauben so sehr an die Zukunft der Schifffahrt und des Schiffbaus, an die Zukunft am, im und um das Wasser herum. Wir erfreuen uns so sehr an unserer Arbeit, die zufrieden macht, die Sinn hat, auf die wir stolz sind, dass wir jeden, der zu uns kommt, zu einem Missionar in unserer Sache machen möchten.

Wenn man weiß, was Schiffbau für einen Schiffbauer bedeutet, dass Schiffbau nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung ist – (wir bekommen ja deshalb eigentlich auch keinen Lohn sondern Gage –) ….. Wer also weiß was uns Schiffbau bedeutet, der kann auch verstehen, wie einem das Herz blutet, wenn man an die zu vielen verlorengegangenen Arbeitsplätze z.B bei Janssen in Leer oder Sürken in Papenburg denkt. Viele dieser Kolleginnen und Kollegen haben auf unser stärker gewordenen Meyer Werft eine neue Existenz gefunden.

Wenn – wie die Japaner und Koreaner es glauben – das Wasser und damit all das, was mit Wasser zu tun hat, die Zukunft ist, dann soll diese Zukunft nicht nur in Tokio, nicht nur in Korea, dann soll diese Zukunft auch hier bei uns in Deutschland und dabei natürlich insbesondere hier in Papenburg stattfinden.  Das ist unser erklärtes Ziel von dem wir nicht ablassen.

Für die Zukunft zu sorgen heißt auch, das Ziel der Beschäftigung von Menschen und den wirtschaftlichen Erfolg ganz oben anzustellen.  Wir als Belegschaft wollen dabei nicht nur Zuschauer sein. Es ist unsere gemeinsame Vergangenheit die wir heute feiern, und wir wollen mit all unseren Fähigkeiten, mit all unseren Kräften und Ideen die gemeinsame, die ökonomische und die soziale Zukunft mitgestalten.

Die Schwierigkeiten der letzten 200 Jahre waren gigantisch und manchmal ist es gut und notwendig sich bei unserer gegenwärtigen Verzagtheit daran zu erinnern, um zu erkennen, dass Probleme immer bewältigt werden können. Dies lieber Herr Bundeskanzler gilt im Übrigen nicht nur für die Werft, sondern für unser ganzes Land – oder?
Der Pakt, der uns die letzten 200 Jahre überleben ließ, die faire Zusammenarbeit der Unternehmensleitung, der Belegschaft, des Betriebsrates und der IG Metall auf und für die Werft, er bietet auch die Chance für weitere lange und erfolgreiche Jahre. Die Unternehmensleitung muss Aufträge heranholen, muss Kunden gewinnen und behalten. Die Politik muss für gleiche und faire Rahmenbedingungen sorgen. Mittelmanagement und Belegschaft stehen in der Verantwortung den Betrieb in der Praxis immer schlagkräftiger, noch qualifizierter und immer produktiver zu machen. Daran gibt es keinen Zweifel. Diesen Aufgaben stellen wir uns als Belegschaft und als Betriebsrat. Wir stellen uns diesen Herausforderungen gerne, weil es viel mehre Spaß macht nach vorne zu schauen, nach vorne zu gehen, an sich zu glauben, sich an den eigenen Wünschen und Träumen zu berauschen, hungrig auf die Zukunft zu sein, als abzuwarten, nur gebannt auf mögliche Gefahren zu starren und erst auf Herausforderungen zu reagieren, wenn es schon zu spät ist.
Das ist nicht unsere Art hier im Emsland und in Ostfriesland.

Vielen vielen Dank. Dass Sie alle gekommen sind. Feiern Sie schön mit uns und vor allem. ….. werden Sie nach unserer Jubiläumsfeier unsere Missionare!

 

Mutig an der Ems!

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