Musik tackert Bilder im Kopf fest.
Ich mag gute Filmmusik. Einige Musikstücke lassen für mich die Filme und ihre bedeutensten Szenen lebendig werden.
Ich habe dies selber schon einmal sehr plastisch erlebt.
Die Arbeit als Sonderbeauftragter auf dem alten Gelände der Neptun Werft in Rostock war eine Zumutung. Mein Büro bot einen unglaublich sensationellen Ausblick auf den Rostocker Hafen und versüsste damit lange Arbeitstage. Die Familie war zuhause in Ostfriesland. Der Weg ins Hotelzimmer war wenig verlockend.
Im Sommer des Jahres 1998 erlebte ich in vielerlei Hinsicht eine Superwoche. Erfolgreiche Termine reihten sich aneinander. Wir genossen wundervolles Sommerwetter und die Wessis waren auch noch nicht wie eine Invasionsarmee eingefallen. Auch dieser Mittwoch war warm, richtig heiß gewesen. Am darauffolgenden Tag stand die Besichtigung einer Rohrwerkstatt durch einen interessierten Käufer an. Ich hatte noch einmal kontrolliert, ob alle Vorbereitungen für das Gespräch so wie vereinbart abgeschlossen wurden.
Ein Blick auf die Uhr. 21.00 Uhr – wieder einmal war es spät geworden. Nach einem schweißtreibenden Tag konnte ich mich im Treppenhaus tatsächlich selber riechen.
Das Auto hatte den ganzen Tag auf dem schattenlosen Parkplatz in der Sonne gestanden. Es galt jetzt die Türen zu öffnen und dem herausspringenden Schwall von Saunaluft auszuweichen. Wie blöd war ich eigentlich? Da arbeite ich direkt an der Ostsee und sehe das Meer oft nur bei Besprechungen im Neptun Hotel?
Die Entscheidung war schnell getroffen. Statt in Richtung Stadtmitte drehte ich ab in Richtung Überseehafen und Marktgrafenheide.
Etwa 45 Minuten später, biege ich auf einen geschotterten Dünenparkplatz. Alleine bin ich dort. Über mir spannt sich mittlerweile ein traumhafter, wolkenloser Nachthimmel. Der helle Sand zeigt den Trampelpfad durch die Büsche wie einen Leuchtpfad. Der breite Sandstrand erstreckt sich menschenleer vor mir. Von links streicht der Lichtkegel des Leuchtturms aus Warnemünde über die sanft anrollende schöne Brandung. Es würde den Werbefilmen entsprechen, wenn ich mir auf dem Weg zum Wasser die Kleider Stück für Stück ausgezogen hätte.
Doch das macht ein ordentlicher Ostfriese nicht.
Meine Wäsche stapelte sich zu einem akkuraten Haufen.
Und ein ansonsten etwas prüder Ostfriese braucht so alleine auch keine Badehose.
Das Wasser umspült meine Füße und es ist herrlich angenehm. Der funkelnde Sternenhimmel über dem Meer, das Geräusch der Brandung. Es hätte das Intro zu einem unglaublich kitschigem Film werden können. Mit energischen Schwimmzügen entferne ich mich vom Ufer. Ich drehe mich auf den Rücken und bewundere die Diamanten am Himmel, höre das glucksende Wasser, spüre den sanften Wind, genieße den Frieden.
Und plötzlich beginnt im Kopf die Filmmusik. Dunkel und bedrohlich baut sich eine dramatische Tonfolge auf. Ungläubig registriere ich die gedankliche Lawine, die sich in Bewegung setzt.
Ich sehe eine Frau in glasklarem Wasser. Etwas nähert sich von unten – einen Augenblick später färbt sich das Wasser schäumend blutrot.
Im Ostseewasser bei Marktgrafenheide spielt sich jede Szene aus dem weißen Hai in meinem Kopf in Super Slow Motion ab. Die Entspannung ist vorbei. Ich werde unruhig. Schaue auf und in das plötzlich bedrohlich schwarze Wasser. War es eben auch schon so? Der Verstand schreit protestierend, dass es diese Raubfische in der Brandung in Marktgrafenheide nicht gibt. Es nützt nichts. Wenn mir hier etwas passiert? Kein Mensch in der Nähe. Schnelle Schwimmzüge bringen mich zum Strand und 45 Minuten später, stelle ich mein Auto in der Hoteltiefgarage ab.
Hans Zimmer und ihr Hollywoodkomponisten.
Was habt ihr mit eurer Musik für Schablonen in meinen Kopf getackert 🙂 ?