Gestern hatte ich eine längere Diskussionsrunde mit langjährigen Kollegen, in der zwei Merkmale wieder einmal quasi die Leitplanken bildeten:
1. Früher war nicht alles, aber doch vieles besser.
2. Die jungen Leute haben eine sehr sehr schwere und schlechte Zeit vor sich.
Der Verlauf solcher Gespräche macht mich immer wieder nachdenklich. Für ältere Menschen (zu denen ich mittlerweile auch gehöre) ist der Blick zurück, in eine vermeintlich bessere Zeit, zu oft fester Bestandteil des Lebens.
Es dauert bei Gesprächen wirklich nicht lange bis man in der Zeitmaschine sitzt und zurückreist. Dorthin wo fast wehmütig Geschichten und Erfahrungen ausgetauscht werden. Viele Erlebnisse werden bei Bedarf „weichgezeichnet“ und in der Erinnerung auch optimiert. Ich höre dabei immer sehr gerne zu, erfreue mich an den Bildern, die bei den Erzählungen entstehen. Mache selber auch gerne mit.
Und doch frage ich mich, ob die Lebenserfahrung uns Ältere nicht geradezu prädestiniert auch ein gutes Bild der Zukunft zu erschaffen?
Doch wie oft tun wir das?
Wie oft tauschen wir uns über gute, positive, mutmachende Träume, Visionen und Möglichkeiten für unsere Kinder und Enkel aus?
Dies ist eine Frage an all jene, die dies lesen und eventuell auch etwas ins grübeln kommen. Wie oft erschöpft sich unser Zukunftsbild in einem fast bemitleidenden Satz an die junge Generation:
„Ihr werdet es noch schwer haben; Rente, Klima; verrückte Gesellschaft; Aggressivität; etc.“.
Ich habe viele, manchmal wütende, Zuschriften erhalten auf die folgende Bermerkung:
“Wir leben im besten Deutschland und der besten Zeit, die wir je hatten“.
Vielfach wurde ich auf soziale Ungerechtigkeiten, Umweltzerstörung, Rechtsradikalismus etc. hingewiesen. Das ist alles richtig.
Doch ändern Herausforderungen, Fehler und Fehlentwicklungen etwas an den grundsätzlichen Feststellungen, die unser Bild prägen sollten?
- Wir sind die erste Generation, die ohne Krieg aufgewachsen ist.
- Wir wurden nach einem verheerenden Weltkrieg, den wir angezettelt haben, das wohlhabendste Land in Europa.
- Freiheit und Demokratie sind stark in unserer Heimat.
Dies alles und noch vieles andere mehr wird zu oft begraben unter der Flut von Angst, Verzagtheit und fehlender Zuversicht.
Es ist auch eine gute Zukunft möglich! Damit eine solche aber auch Wirklichkeit werden kann, dürfen Rückwärtsgewandtheit, fehlender Mut und Entschlossenheit für uns älteren nicht prägend sein.
An der Seite der jungen Generation sollten wir stehen. Mit unseren Erfahrungen an eine gute Zukunft glauben und gemeinsam mit ihnen darüber nachdenken, wie diese aussehen könnte!
Dies ist zugegebenerweise anstrengend.
Und man verfällt so leicht in das geübte Muster der Vergangenheitsfokussierung.
Doch dort werden weder ich noch die nächsten Generationen leben.
Blicke zurück sind notwendig, um den Kurs zu bestimmen, der vor uns liegt. Doch jeder sehnsüchtige (!!) Blick zurück kann uns, wenn wir nicht aufpassen, auch Energie und Zeit rauben für den Blick nach vorne.
Wir werden dem Geschenk des Alters nicht gerecht, indem wir unsere Erinnerungen auf ein Podest stellen. Nicht der Blick zurück macht uns weise und klug, sondern die Übernahme der Verantwortung für unsere Zukunft und die der nachfolgenden Generationen.
Und eine bessere Zukunft beginnt damit das wir sie wollen und für möglich halten – oder?
Erschrocken macht mich, wie vielen jüngeren Menschen sich damit begnügen, auf das Heute zu schauen, weil sie mit der Zukunft nicht vorrangig Hoffnung verbinden. Haben wir Älteren vielleicht dazu beigetragen?
Veränderung und die Hoffnung auf das Gute ist das Gesetz des Lebens. Wer nur auf die Vergangenheit oder, wie heute leider modisch, nur auf die Gegenwart schaut und nur den Moment lebt, verpasst mit Sicherheit die Zukunft.