Frohe Weihnachten Euch allen!

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Wenn wir dereinst auf das Jahr 2020 zurückschauen, was wird unsere Erinnerung prägen? Wird es dieser kleine unscheinbare Virus sein, der unsere Welt fast zum Stillstand brachte?
Werden wir die bisherigen Selbstverständlichkeiten unseres Lebens, auf die wir jetzt verzichten mussten, zukünftig wieder mehr wertschätzen und wahrnehmen? Die vormals so ungezwungene menschliche Nähe, die uns jetzt so sehr fehlt?

Wirtschaftlich erleben wir ein schlimmes Desaster.
Da liegt noch eine sehr schwere Wegstrecke vor uns allen.

Diese Zeit die wir jetzt erleben ist förmlich durchtränkt von erzwungener Veränderung. Spannend wird es sein zu sehen, welche Lehren wir aus dem Erlebten ziehen.

Werden wir uns daran erinnern wie einige mächtige Menschen erschreckend wenig Weisheit , Verantwortung oder Mitgefühl zeigten? Wie kann es nur sein, dass sie Länder, Völker, Menschen führen dürfen?

Dieses Jahr ist wieder einmal erfüllt mit einem Trommelfeuer oftmals traumatischer Nachrichten aus allen Ecken unserer Welt.
Und die neuen und so zahlreichen Medien übergießen uns oft mit kreischenden, lauten, aggressiven, aufdringlichen Filmen, Bildern und Worten.  Es ist doch wenig verwunderlich wenn viele Menschen den Eindruck gewinnen, dass die ganze Welt verrückt wird. Und wie prägt diese Wahrnehmung einer taumelnden Welt unser Denken und Handeln?

Doch still und unauffällig, aber umso beeindruckender gibt es Millionen Menschen, die sich selbstlos für andere einsetzen. Diese stillen Heldinnen und Helden und nicht die bekanntesten Selbstvermarkter oder omnipräsenten Influencer, prägen das Antlitz unseres Menschseins!

Wir Menschen, das wird in unserer fiebrigen unterhaltungssüchtigen Welt oftmals vergessen, sind vor allen Dingen „gut zueinander“!

Die meisten von uns beweisen Tag für Tag, wie anständig, mutig und entschlossen wir gerne sind. Ich finde es schön zu sehen, wie viele ganz „normale Menschen“ immer noch  persönliche Opfer im Dienst für andere erbringen.
Wie viele sich einsetzen für unsere Werte, für Würde, Freiheit, Mitmenschlichkeit, Ehrlichkeit, Verantwortung und Demokratie.

Eine tief in uns Menschen angelegte Ethik ist stark in uns allen.

Mitmenschlichkeit und nicht Rücksichtslosigkeit ist die Essenz unserer Existenz und die Ursache für das Überleben unserer Spezies. Wir Menschen sind viel besser, als wir es selber glauben können.

Eines zeigen mir die Erlebnisse der letzten Monate. Wir werden nur bewahren können, was wir auch aus ganzem Herzen wollen.
Humanismus, Demokratie, Freiheit, Frieden und das Gemeinwohl sind wie die große Liebe des Lebens. Nur dann, wenn man sie immer wieder aufs Neue begehrt und entdeckt, wenn man um sie kämpft, bleiben sie uns erhalten.

Frohe Weihnachten Euch allen!

Kopf im Schlick …

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Über die, durch ein Schiffsunglück zerstörte Friesenbrücke, wird oft debattiert.Ich verbinde mit dieser Brücke einige sehr intensive Erinnerungen.

In meiner Schulzeit badeten wir an den Nachmittagen und oft an Wochenenden in dem Emsbad in der Nähe der Eisenbahnbrücke in Weener. Die kleine sandige Badebucht war mit einer Leine und einigen Bojen zum Fluss abgegrenzt. Boote dümpelten im dichten Uferschilf oder lagen im Schlick.

Bemerkenswert war das Betonbassin am Ufer. Dort haben viele Generationen das Schwimmen erlernt. Dieser, mit Emswasser gefüllte Betonklotz, bildete quasi die Begrenzung des Bades in Richtung Brücke.

In den Sommermonaten war das Emsbad ein beliebter Treffpunkt. Für uns Jungs gab es einzigartige Möglichkeiten, den vielen Mädchen zu imponieren.
Über jedes wellenerzeugende Binnenschiff freuten wir uns. Die Geräusche des Wellenschlags, wie eine „Brandung“ am Ufer, erzeugten ganz kurz die Illusion eines Bades am offenen Meer.
Eine ganz besondere Herausforderung bestand darin, sich von der Eisenbahnbrücke in die Ems zu stürzen. Dies passte zwar dem Brückenwärter gar nicht.
Für uns war es ein Sport. Von den Pollern und den Leitkonstruktionen der Brücke zu springen war schon fast Routine. Spannend war es auch, unter das Bauwerk zu klettern wenn ein Zug diese passierte. Wie vieles war auch das ein Wettbewerb und ein großer Spaß, den scheppernden Vibrationen der Stahlkonstruktion zu trotzen und sich möglichst lange an die Träger zu klammern.
Eine ganz besondere Herausforderung bestand darin, auf das Kontergewicht der Klappbrücke zu klettern und von dort in die Ems zu springen.

Einen Kopfsprung von dort wagten normalerweise nur die sogenannten Totenkopfschwimmer.

Mein Schulfreund Hinrich Try und ich wollten eines schönen Sommertages den Mädchen unserer Klasse ganz besonders imponieren. Wir passten eine Abwesenheit des Brückenwärters ab, kletterten nach oben auf die Gewichte und standen in schwindelerregender Höhe über dem Fluss. Was hatten wir den Mund vollgenommen. Doch jetzt nicht zu springen ging gar nicht. Und da standen wir jetzt.
Wir beide oben auf dem Gewicht und die Mädchen unserer Klasse fasziniert schauend am Deich. Fast gleichzeitig sprangen wir dann doch.
Mein Schulfreund mit einem normalen Hechtsprung und ich Idiot mit einem sogenannten „Seemannsköpfer“.
Dabei legt man die Arme an den Körper und taucht dadurch viel schneller und tiefer ein.
Trotz des hohen Flutwasserstandes in der Ems geriet ich mit dem Kopf in den weichen Schlick des Flussbodens.

Ein undefinierbarer heftiger, scharfer Schmerz schoss mir in den Kopf.
Das Auftauchen dauerte gefühlte Ewigkeiten. Im Wasser der Ems konnte man die Augen nicht öffnen und sich orientieren. Das Wasser war schlickig und sehr trüb.
Durch den schon eingesetzten Ebbstrom tauchte ich ca. 20m von der Eintauchstelle wieder auf. Hinrich war schon zur Uferlinie geschwommen und stand bis zur Hüfte am Schilf im Wasser. Wir hörten die Rufe der Mädchen am Deich.
„Du – ich hab ein Problem“ wisperte er. „Mir ist bei dem Sprung das Gummiband der Badehose gerissen und jetzt ist sie weg“. Ich konnte es kaum fassen.
Was war ich neidisch auf seine modernen Badeshorts gewesen. Ich musste mit der damals typischen Mini Nylon Badehose herumlaufen..
Über diesen Spaß vergaß ich sogar den komischen Schmerz im Ohr.
„Kannst Du mir meine Hose holen?“ „Klar“ antwortete ich. Mit der Strömung ließ ich mich in Richtung Bad treiben. Ich wusste, wo mein Freund seine Kleider abgelegt hatte. Eines der Mädchen aus unserer Klasse fragte mich verwundert wo denn Hinrich sei.
Grinsend reichte ich ihr die Hose, schilderte kurz das Malheur und beschrieb, wo sie meinen Freund im Schilf finden konnten. Das begeisterte Gekreische habe ich lange nicht vergessen. Und mein Kumpel war anschließend nur gespielt sauer.

Als die Ohrenschmerzen auch in den nächsten Tagen nicht verschwanden, stellte mein Hausarzt beidseitig eingerissene Trommelfelle fest.
Das war die Quittung für einen großen Leichtsinn.
Doch diese Show hätte noch viel dramatischer ausgehen können.

Dies wurde mir einige Jahre später drastisch vor Augen geführt.

1980 lieferten wir von der Meyer Werft die Fähre „Viking Sally“ ab. Dieses Schiff musste aufgrund seiner Breite, insbesondere im Bereich der „Brückennocks“ an der Kommandobrücke, kompliziert durch die Friesenbrücke durchmanövriert werden.

Wie konnte dies gelingen?
Ich arbeitete zu der Zeit im 1:10 Büro der Werft.
Dort wurden Brennvorlagen für die Stahlplattenzuschnitte im Maßstab 1:10 auf Brennfolien übertragen.

Wir bekamen die Abmessungen der Brücke und die Echolotdaten des Flussprofiles bei der Brückendurchfahrt und in den Nebenbereichen. Dann zeichneten wir eine maßstabsgerechte Zeichnung des Schiffsquerschnittes inklusive der breiten Kommandobrücke und schnitten dies aus Pappe zurecht.
Auf die ebenso detaillierte Querschnittszeichnung der geöffneten Klappbrücke mit dem skizzierten erwarteten Wasserstand wie auch dem eingezeichneten Unterwasserprofil wurde die Schablone des Schiffes gelegt. So wurde die für die Durchfahrt erforderliche Schräglage des Schiffes festgelegt.

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Von den Daten des Flussprofiles neben der Hauptfahrrinne war ich aber doch irritiert. Ich hatte eine irgendwie gleichförmige Wanne erwartet. Doch stattdessen waren im Flussbett Ecken und merkwürdige Anhöhen zu sehen. Auf meine Frage hin, was dies denn wohl sei, antworteten mir die Lotsen „Das sind wohl noch große Betonklötze und andere Bauteile im Flussboden“.

Das waren Überreste von der Zerstörung der Brücke im Zweiten Weltkrieg.

Mir wurde schlagartig klar, wie viel Glück ich seinerzeit gehabt hatte. Bei meinem Kopfsprung von der Brücke war ich, statt auf einem dieser Betonklötze zu zerschmettern, gerade zwischen diesen hindurch in den Schlick geraten.

Das angeben bei den Mädchen hätte auch völlig anders ausgehen können!

(Ein Ausschnitt aus meinem Buchprojekt „Weltenwanderer“)

 

Kopf im Schlick …

Wir sollten Omas und Opas nicht aus Versehen umbringen.

Bevor ich etwas zu den Corona Maßnahmen sage.

Die erneuten Beschränkungen sind eine Katastrophe für viele Betriebe.
Sie brauchen während dieser Zeit und vor allem danach unsere Solidarität und Hilfe. Und zwar schnell unbürokratisch und nachhaltig.
Wir sollten uns Gedanken darüber machen wie wir nach der Krise Einzelhandel und Dienstleistung, wie auch die Kultur mit außergewöhnlichen Maßnahmen revitalisieren.

Aber einige Gedanken bezüglich der grundsätzlichen Aufregungen.
Wir leben in einer Zeit in der eine Pandemie unzählige Menschenleben fordert, oder?

Deshalb – Hand aufs Herz.
Weshalb feiert Ihr Weihnachten?

Weshalb ist Weihnachten so enorm wichtig für Euch?

    • Weil es so schön traditionell ist? Weil die Erinnerungen an die Kindheit andocken?

Weil sich Familien treffen oder es leckeres Essen gibt?
Weil es Geschenke gibt?
Oder ist Weihnachten für Euch tatsächlich noch ein zutiefst christliches Fest?

Einige daraus folgende mögliche Schlussfolgerungen:

  1. Wenn wir Weihnachten als einen schön sentimentalen, im Grunde aber mehr und mehr unreligiösen Familientraditionstag ansehen, der für den Markt allerdings bedeutsam ist, – ist so ein Termin es wert dafür tausende Menschenleben zu riskieren?
    Wenn wir Weihnachten so betrachten, dann lasst uns angesichts der Pandemie einen Ersatztermin finden.
  2. Wenn wir Weihnachten wegen seiner religiösen Bedeutung feiern, dann verbietet es sich aus christlicher Nächstenliebe nur wegen einer Geburtstagsfeier tausende von Leben zu riskieren, oder? Würde das Geburtstagskind so etwas tolerieren?

Gerade das Fest der Nächstenliebe sollte für uns bedeuten das wir alles unternehmen, dass ältere Menschen nicht einsam, alleine, elendig und völlig unnötig auf Intensivstationen sterben.
In unserer medizinisch so exzellent aufgestelltem Heimat sterben Tag für Tag hunderte Menschen an dieser Krankheit. Nichts ist trauriger.

Wir müssen uns für eine gewisse Zeit alle so verhalten als wenn wir positiv getestet worden wären, damit wir keine Menschen aus Versehen umbringen, oder? Möglicherweise genau jene Menschen die uns ganz besonders nahestehen und die wir lieben?!

Lasst uns Weihnachten feiern wie wir es auf Millionen Karten schreiben.
Voller Nächstenliebe, Besinnlich und mit der Chance die Umdrehungszahlen unseres Lebens etwas herunterzufahren.
Weihnachten geht auch ohne Geschenkorgien!

Wir sollten Omas und Opas nicht aus Versehen umbringen.

Frisia II

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1978. Meine Ausbildung zum Schiffbauer war beendet.
Die erste Lohnabrechnung als Facharbeiter hatte ich am Freitag erhalten. Zwar konnte ich in dem ersten Monat nach meiner bestandenen Prüfung noch keine Überstunden machen. Doch ich freute mich unglaublich über die 1.568 Mark.
40 Stunden in der Woche,  ca. 170 Arbeitsstunden im Monat musste ich damals dafür leisten. Der Facharbeiterlohn verschaffte mir Zutritt in eine Welt, die mir bis dahin verwehrt war. Ganz unmittelbar und schnell mussten der Autoführerschein und das Kreidler Moped abbezahlt werden.

Auf der Werft hatten wir damals unter anderem die Frisia II in Bau.
Eine kleine Fähre, die von Norddeich nach Juist und Norderney eingesetzt wurde. Wie bei all unseren Schiffen besaß diese natürlich auch einen doppelten Boden.

Eine einfache Beschreibung für den Doppelboden: (Für Laien)
Der Doppelboden gibt einem Schiff eine hohe Sicherheit. Auf dem Boden, der Außenhaut des Schiffes, ist ein gitterähnliches Tanksystem von vielen Fächern aufgeschweißt. Dieses Stahlgitter besteht aus Längs,- und Querwänden.
Das Doppelbodendeck bildet quasi den Deckel dieser vielen Tankräume.
Die Breite der Tankfächer betrug damals in vielen Fällen ca. 800 mm. Die Höhe eines solchen doppelten Bodens kann sehr unterschiedlich sein. Bei größeren Schiffen sind sie manchmal mannshoch.
Viele Ovale und runde Löcher in den Quer,- und Längswänden verbinden die Fächer und machen sie so als Tanks überhaupt nutzbar.
Diese Durchbrüche waren bei unseren damaligen Tankern bis zu 800 mm hoch und bis zu 500 mm breit.
Bei der Frisia-Fähre war dieser doppelte Boden jedoch nur insgesamt 450 mm hoch. Die Durchbrüche waren entsprechend extrem klein.

Die Aufgabe der Schiffbauer war, in den Tank hineinzukriechen, die Bauteile gerade auszurichten und anschließend an die Bodenplatte heften.

Der Doppelboden wurde so gebaut, dass die „Decke“ auf dem Boden lag. Die Außenhautplatte wurde auf das besagte Gitter aufgelegt. Kräne setzen große Gewichte auf diese Stahlplatte und pressten sie auf die Quer,- und Längsträger. Daraufhin verschweißte ich die Stahlplatte mit den Trägern.

Die Schweißarbeiten mussten also auf dem Rücken liegend „über Kopf“ ausgeführt werden. Aufgrund einer Auftragsflaute waren 1978 viele junge Schiffbauer Azubis nicht übernommen worden. Ich hatte Glück gehabt und gehörte zu der seltenen Spezies junger und (damals) schlanker Schiffbauer in der Bordmontage.

Für die Arbeit in diesem Minidoppelboden hatte der Betriebsrat eine Sonderzulage mit der Geschäftsleitung vereinbart.

Eine kurze Überschlagsrechnung zeigte mir, dass ein Monat mit strammen Überstunden und intensiver Arbeit im Doppelboden einen Großteil der Kosten für Führerschein und Moped abdecken würden. Abgesehen davon hatte ich mir zur bestandenen Gesellenprüfung selber eine Norwegenreise geschenkt.

Es war Hochsommer und Gott sei Dank lag der Doppelboden in der Schiffbauhalle. Dort konnte er sich nicht so schlimm aufheizen, als wenn dieser Stahlklotz draußen gelegen hätte. So lag ich also Tag für Tag auf dem Rücken in diesem klaustrophobischen Stahlgitter, zog Schweißkabel, Werkzeuge, Lampe hinter mir her und versuchte die dünne Styroporplatte unter meinen Rücken zu behalten.
Dies war wichtig, denn auf dem Stahl liegend konnte man sich schnell verkühlen. Doch nicht nur rutschte diese Platte beständig weg, sie zerbröselte auch bei den schlangenartigen Bewegungen in den fürchterlich engen Räumen. Vor allem stank es auch bestialisch, wenn Schweißperlen Löcher in die Unterlage schmorten.
Die Vorstellung der kommenden Abrechnung und mein jugendlicher Leichtsinn führten aber dazu, dass ich klaglos und freiwillig eine Woche lang die meiste Zeit in diesem Minidoppelboden auf dem Stahldeck lag und heftete, was das Zeug hielt.
Ohne Proteste wurden meine Erschwernisszettel mit den vielen Zulagenstunden akzeptiert und abgezeichnet.

Doch ich erfuhr in einer schmerzhaften Lektion, das Geld nicht alles ist.

Am Ende dieser ersten Woche entwickelte sich der Samstag mit heftigen Schmerzen und Fieber zu einem Desaster. Der Sonntag war noch schlimmer.
Fahlbleich im Gesicht, schlapp, kaputt und völlig zerschlagen schleppte ich mich am Montag zur Werft. Mein ansonsten recht „robuster“ Meister sah mich stirnrunzelnd an und schickte mich, statt in den Doppelboden, zu unserem Sanitäter.

Der Kollege Hermann Plenter war der geborene Sani. Mitfühlend befragte und untersuchte er mich. Als ich vom Blut im Urin berichtete, schickte er mich umgehend zum Hausarzt.
Wie ich bei dem hohen Fieber die Strecke mit dem Moped geschafft habe, ist mir bis heute ein Rätsel. Das Ergebnis der Untersuchung war eine schon stark vereiterte, Blasen und Nierenbeckenentzündung.
Zwei schlimme Wochen warf mich das aus der Bahn. Meine schöne Finanzplanung war geplatzt.

Doch weit schlimmer war, dass ich durch diesen Leichtsinn eine Schwachstelle im Körper behielt, die mich durch ihre Anfälligkeit bis heute immer wieder an meine damalige Unvorsichtigkeit erinnert.

Wie sagt Oscar Wilde richtigerweise „Gesundheit ist die erste Pflicht im Leben“.

Im Übrigen werde ich nie die Doppelbodenhöhe der Frisia Fähren vergessen.

Frisia II

Lob – nein bitte nicht!

Ich schreibe seit mehreren Wochen an Weihnachtskarten und Briefen. Da ich der „Dinosaurier Generation“ angehöre, skizziere ich Gedanken und Wünsche an meine Gegenüber mit handgeschriebenen Zeilen.

Dabei gelange ich immer wieder an folgende gedankliche Klippe.

Jeder meiner Adressaten freut sich über gute Wünsche. Und sicherlich über die Anerkennung einer fairen und wenn es optimal läuft, freundschaftlichen Zusammenarbeit.
Doch steht es mir tatsächlich zu auch Lob zu äußern?

Unabhängig davon, dass ich persönlich in meinem Leben Lob und Anerkennung extrem selten bekomme, so lobe ich selber doch oft und gerne andere. Ich habe ein gutes Gefühl dabei. Und doch frage ich mich, ob es die beste Form der Anerkennung ist?

Persönliche Erlebnisse aus verschiedenen „Coachings“ bestärken mein Unwohlsein. Bei diesen Zusammenkünften war das Ziel eindeutig. Es wird zur Verbesserung des miteinander ein Lob ausgesprochen. Eigentlich kein schlechter Ansatz.
Doch in der Reflexion entsteht bei mir kaum anhaltende Freude. Stattdessen wachsen  Fragen. War das Lob ehrlich gemeint? Der mich so lobende kennt doch nur einen Bruchteil meiner Arbeit, Träume und Realitäten. Wie kann man dann seriös loben? Misstrauen über die Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit eines Lobes wuchern stets im Verborgenen. Und ist derjenige, der ein Lob ausspricht, auf Augenhöhe mit mir?

Steht Lob nicht häufig im Zusammenhang mit einer Beurteilung? Derjenige, der lobt, nimmt für sich in Anspruch eine Situation zu bewerten und zu „beurteilen“. 
Kann er/Sie sich das herausnehmen?
Wie ich an mir selber feststelle verändert Lob oft die „Augenhöhe“. Lob schafft alleine kein nachhaltiges Vertrauen, sondern nur ein momentanes Wohlgefühl.

Ich habe meine Weihnachtsbriefe der letzten Jahre nochmals dahingehend kontrolliert. Konnte ich mir erlauben, die Leistung meiner Adressaten zu beurteilen?

Was passiert mit einem Lob, wenn der oder diejenige gar kein gutes Gefühl bei ihrer Arbeit hatte? Und sind Lob und Komplimente nicht meist recht oberflächlich und schnell eben dahergesagt? Wird oft nicht mal schnell das aktuelle Ergebnis oder ein momentanes Verhalten „beurteilt“? Das ist doch wenig nachhaltige Anerkennung und kaum zielführend für beide Seiten.
Kann es nicht sein das es andere, bessere Wege gibt, um Wertschätzung auf Augenhöhe auszudrücken?

Um nicht missverstanden zu werden.  Das loben gehört nach wie vor zum menschlich normalen Miteinander. Persönlich kann man da sehr konkret sein. Wenn man z.B ungezwungen und unmittelbar, am richtigen Ort, in der richtigen Situation, ein Verhalten oder ein Aussehen etc. wahrnimmt und kommentiert. Dies erzeugt ein Wohlgefühl.

Und wieder der Blick auf mich selber. Da ich versuche das Leben und meine Gedanken in Worten zu reflektieren, gibt es dazu verschiedene Arten der Rückmeldung. Diese wiederum  lösen bei mir unterschiedliche Reaktionen aus.
Da gibt es einmal die Ablehnung meiner Gedanken und Beiträge. Manchmal weil ich einen Stil pflege, der nicht „einstudiert“ ist. Ich bin eben immer noch ein Arbeiterkind. Die Gedanken und die mir eigene Sprache, wurzeln in meiner Herkunft und spiegeln irgendwie meinen Lebenslauf wieder. Dies ist ganz sicherlich nicht jedermanns Sache.
Dann gibt es den jovialen Schulterklapps „Gut gemacht“.

Doch ich bekomme auch Reaktionen und Schreiben, die für mich von großem Wert sind. Der Kern dieser Antworten kreist fast immer um den Begriff Dankbarkeit. Und dies auch dann wenn sie kritisch sind.

Dankbarkeit ist völlig anders und geht viel weiter als ein Lob.
Bei mir kommen nicht die lobenden Reaktionen in die „Schatzkiste“ sondern jene wo mir Menschen schreiben das sie z.B meine Handlungen, die Gedankensplitter oder meine Hinweise als Denkanstöße empfangen haben und sich dafür bedanken. Sie müssen gar nicht meiner Meinung sein. Sie setzen sich mit Gedanken auseinander. Wie schön!
Dies ist meines Erachtens die respektvollste Form von Anerkennung.

Dankbarkeit zu identifizieren,  einzusortieren und auszudrücken ist wesentlich aufwändiger als der Griff in die Schublade mit den Lobbausteinen.
Eine solche Form der Wertschätzung ist nicht elitär und gönnerhaft, sondern ein Austausch  auf Augenhöhe.

Und wie schön es doch ist, dass man den Wert und den Nutzen dessen, was man als wertvoll empfindet, in den Mittelpunkt stellt!
Ich werde also meine Weihnachtsbriefe neu fassen und versuchen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Lob und aufrichtiger Dankbarkeit zu finden.

Lob – nein bitte nicht!

Hunde im Spiegel

Mit einem ehemaligen IG Metall Kollegen und Leser meines Blogs, hatte ich heute Abend im Netz eine etwas anstrengende Diskussion.
Er war wirklich sehr kritisch und schimpfte ausführlich über mich und das Unternehmen, in dem ich arbeite.
Mir machen solche Diskussionen immer einen Wahnsinnsspaß.
Doch eine Riesenwelle von Misstrauen, Vorurteilen und Ablehnung schwappte in unserem Austausch hin und her.
Es ist sehr selten bei mir, dass ich an einen Punkt gelange, wo ich Menschen aufgebe. Doch bei ihm war es irgendwann doch so weit. Es gab kein Argument, kein Beispiel, keine kritische Frage, wo er auch nur ansatzweise bereit war, diese aufzunehmen.
Wir stritten über die Corona Krise, über mögliche Entlassungen und natürlich über Werkvertragsfirmen. Eins muss ich dem Kollegen lassen. Er war mit sich im Reinen. Er wusste wem er glauben wollte und wem nicht. Er war überzeugt zu wissen wer die Bösen und wer die Guten waren.

Ich sagte irgendwann zu ihm „Weißt Du. Du hast meines Erachtens ein Problem.
Mit Deiner Einstellung wirst du nie eine wirkliche gute Antwort finden. Auch wenn Du auswanderst in ein anderes Land, einen anderen Betrieb findest. Es würde Dir nicht helfen. Denn Du nimmst immer Dich selber mit.
Dich mit Deiner unverrückbaren Einstellung, Deinem Misstrauen, Deiner Ideologie und Deiner grundsätzlich ablehnenden Haltung. Diese sind so festgefügt das Du die Dinge immer nur so sehen kannst wie es Deiner Einstellung entspricht“. 

Ich habe versucht, ihm dieses „Verhaltensgefängnis“ mit einer Geschichte zu verdeutlichen.

„Es gibt eine Sage, das in Tibet ein Tempel der tausend Spiegel steht. Dieser Tempel hat eine runde Form. Innen sind seine Mauern mit unendlich vielen Spiegeln bedeckt. Zu diesem Tempel kommt eines Tages ein Hund. Er fühlt sich stets ungerecht behandelt, ist misstrauisch und etwas grundaggressiv.
Als er den Tempel betritt, fletscht er wie üblich die Zähne und knurrt schon mal vorsichtshalber um sich Respekt zu verschaffen. Im Raum stehen ihm plötzlich hunderte von Hunden gegenüber und um ihn herum. Sie fletschen die Zähne, knurren ihn an. Sofort füllt sich der Raum mit fürchterlichem Lärm. Der Hund ist extrem wütend ob dieser vielen bösen Hunde und rennt schließlich davon. Er sieht sich in seiner Meinung bestätigt und denkt: Ich wusste es doch. Die Welt ist voller böser und aggressiver Hunde die mich bedrohen. Ich muss sie bekämpfen. Also muss ich noch misstrauischer und wütender werden.
Etwas später am Tag kommt ein anderer Dorfhund vorbei. Er hat kurz vorher noch mit den Dorfkindern gespielt, genießt jetzt seine freie Zeit und freut sich darauf etwas neues zu entdecken. Hey – ein Tempel, und die Tür steht auf. Schwanzwedelnd läuft er in den Raum und sieht sich hunderten von schwanzwedelnden, freundlichen und gutgelaunten Artgenossen gegenüber. Er freut sich und denkt. Wusste ich es doch. Die Welt ist voller richtig netter Hunde“.

Ich schloß die Geschichte mit der Bemerkung „Wenn Du lieber Kollege nicht bereit bist offen, vorurteilsfrei und ohne Aggression im Automatikbetrieb zu leben wirst Du stets nur Spiegelungen erleben“.

Wir sind uns am Ende nicht wirklich einig geworden. Ich bin aber immer wieder fasziniert wie gerne Menschen Geschichten hören und wie solche Gleichnisse nachdenklich machen, Diskussionen umleiten und diese manchmal entkrampfen können.

Hunde im Spiegel