Tugenden sind nicht hipp?

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Übersetzung des Begriffes Tugenden lt. Wikipedia

Das Wort Tugend (von mittelhochdeutsch tugent ‚Kraft, Macht, [gute] Eigenschaft, Fertigkeit, Vorzüglichkeit‘; lateinisch virtus, altgriechisch ἀρετή aretḗ) ist abgeleitet von taugen; die ursprüngliche Grundbedeutung ist die Tauglichkeit (Tüchtigkeit, Vorzüglichkeit) einer Person. Allgemein versteht man unter Tugend eine hervorragende Eigenschaft oder vorbildliche Haltung. Im weitesten Sinne kann jede Fähigkeit zu einem Handeln, das als wertvoll betrachtet wird, als Tugend bezeichnet werden. In der Ethik bezeichnet der Begriff eine als wichtig und erstrebenswert geltende Charaktereigenschaft, die eine Person befähigt, das sittlich Gute zu verwirklichen. Damit verbindet sich gewöhnlich die Auffassung, dass dieser Eigenschaft und der Person, die über sie verfügt, Lob und Bewunderung gebühren.

Ich habe viele außergewöhnliche Menschen kennengelernt, die oftmals ohne besonderes Aufhebens Tugenden lebten. Andere entwickelten diese bei bestimmten Gelegenheiten.

  • Mut und Tapferkeit bei Gefahr und Krisen.
  • Weisheit bei schwierigen Aufgaben.
  • Vernunft und Verantwortung im Zorn.
  • Vertrauen, Zuversicht und Freundschaft in der Not.

Diese Menschen sind, waren und wurden Vorbilder. Sind also Tugenden altmodisch?
Nein! Sie weisen uns neben vielen anderem darauf hin, dass Hass und Misstrauen die Krebsversion von Wut und immerwährende Vorwürfe lediglich das Schießpulver von Hilflosigkeit sind.

Vielleicht sollten wir alle manchmal doch etwas in den alten Begriffen wühlen? Insbesondere wenn ich mir das Verhalten dieser Tage anschaue.

Tugenden sind nicht hipp?

Zukunft in der Schneekugel

 

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In meinem Beruf muss ich momentan leider Tag für Tag unerfreuliche, schonungslose und harte wirtschaftliche Realitäten schildern. Dabei gilt es immer wieder eine Balance zu finden zwischen den unbestreitbaren Zahlen, Daten und Fakten einer riskanten „Ist Situation“ und einer immer noch möglichen besseren Zukunft.

Ganz direkt wurde mir jetzt schon mehrfach die Frage gestellt, ob ich persönlich denn überhaupt noch die Hoffnung auf eine gute Zukunft hätte.
Nun, die habe ich. Sowohl für den Betrieb, in dem ich nun schon so lange Jahrzehnte arbeite wie auch für mich persönlich.

Bausteine einer guten Zukunft werden durch eine Lawine täglich schlimmer Nachrichten wie bei einem Erdrutsch rumpelnd verschüttet und der Blick in die Zukunft durch den aufgewirbelten Staub fast unmöglich.
Doch müssen wir uns doch die Frage stellen
„Was wäre die Alternative zur Zuversicht auf eine mögliche gute Zukunft? Etwa grenzenlose Depression?“

Ich habe in meinem ganzen Leben immer an eine gute Zukunft geglaubt.
Dabei habe ich meine Zukunft nie als schnurgeraden Weg gesehen. Es war keine Straße, noch nicht einmal ein Trampelpfad, den ich vorher beschreiben und anschließend beschreiten konnte, um zu einem konkreten Ort zu gelangen.
Meine Zukunftsvorstellung war nie fest umrissen, hatte keine Form, keinen Plan. Es war vielmehr ein nicht enden wollender Strom von positiver Zuversicht, manchmal abrupt oftmals aber auch still wuchernder Ideen aus meinem Geist.

Alleine für mich geschaffen. Das Paradies für mein Selbst. Die Zukunft war für mich immer wie ein Wolkenspiel in einer Glaskugel.
Immer da, nie gleich, sich stets wandelnd, je nachdem wie die Kugel geschüttelt wurde.

Und noch etwas für mich sehr bedeutsames habe ich festgestellt.

Meine Ideen und Träume für eine gute Zukunft haben mich schon verwandelt, bevor sie die Chance hatten, ernsthaft in Erscheinung zu treten.

Diese Erfahrung sollten alle Menschen machen. Eine Zukunftszuversicht macht nicht blauäugig oder naiv blind für die allgegenwärtigen Gefahren.
Sie ist allerdings Kraftquelle und Stütze in dieser sich schüttelnden Welt.

Zukunft in der Schneekugel

Es gibt keine schlechten Teams!

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Fast 30 Jahre ist es her, dass ich eine Einladung nach Frankfurt erhielt, um eine Vortrag von General Normann Schwarzkopf mitzuerleben. Schwarzkopf hatte als Oberkommandierender des United States Central Command die Operation Dessert Storm im Irak geleitet.

Über seine Erlebnisse hatte er ein Buch geschrieben „It doesn´t Take a Hero“ (Man muss kein Held sein). Man mag nun über diesen Krieg denken, wie man will. Ein faszinierender Mann war dieser General auf alle Fälle. Seine Erzählungen waren prägnant, bildhaft und absolut nachvollziehbar. Seine Präsenz füllte den Raum aus.
Die Begleitung und seinen Schutz bildeten einige großgewachsene Kerle.
Wie sich später herausstellte, waren dies ehemalige US Navy Seals.  Nach seinem Vortrag war der  General mit Interviews und dem Signieren von Büchern beschäftigt.

Ich hatte somit Gelegenheit mit seinen beiden Beschützern zu sprechen.

Nachdem ich wusste, dass die beiden Leibwächter ehemalige Seals waren, fragte ich ob es denn so etwas wie einen Grundsatz oder einen Slogan bei den Seals gäbe. Grinsend antworteten die beiden:
„Der letzte leichte Tag war gestern“.
Aber noch wichtiger sei das Prinzip: „Es gibt keine schlechten Teams, es gibt nur schlechte Leader“.
Anhand einiger Beispiele berichteten sie, das die derart exzellent ausgebildeten Seals bei einer Mission nur scheitern könnten, wenn die Führung und Planung der Teams schlecht sei. Deshalb würden bei missglückten Operationen auch nie Konsequenzen in den Teams, sondern stets in der Politik, im Stab, bei der Planung oder bei den Offizieren gezogen. Dieser Grundsatz sei unverrückbar.
Es sei andererseits aber auch eine bindende Verpflichtung für jedes einzelne Teammitglied stets ausnahmslos alles für das Team und die Mission zu geben. Dafür erhielten sie den umfassenden Schutz der auf eben diesem Ruf aufbaue. Er sei einer der Ursachen für die kameradschaftliche Stärke in den Einheiten.

Ich war schon sehr beeindruckt!

Später habe ich mir von einem Tischler ein Schild mit diesem Spruch herstellen lassen.
“ Es gibt keine schlechten Teams, es gibt nur schlechte Leader“
Bei diversen Vorträgen vor Führungskräften habe ich immer mal wieder gefragt, wer diese Tafel in aller Konsequenz vor sich auf den Schreibtisch stellen und sich danach verhalten würde? Dieser Grundsatz, der im Übrigen von Napoleon Bonaparte stammt, (aber das habe ich den Seals damals vorsichtshalber nicht vorgehalten) beschreibt meines Erachtens die Essenz eines außergewöhnlichen Führungsverständnisses.

Beeindruckend war für mich auch das individuelle „Missionsverständniss“ der Seals.
Davon habe ich mir einige Dinge entliehen. Ich habe diese etwas umformatiert und lange Jahrzehnte in meinem Büro als persönlichen Ankerpunkt im Blick gehabt. Zugegeben klingt das Ganze etwas pathetisch. Aber in den schwierigsten Zeiten (die nicht selten waren) lohnte es sich immer mal wieder, einen Blick darauf zu werfen und die Basis der Arbeit zu sehen.

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Manchmal denke ich, wenn ich so einige aktuelle Entwicklungen sehe, dass diese Zeilen völlig aus der Zeit gefallen sind.
Oder fehlen uns allen solche Prinzipien oder Ankerpunkte auch zu oft?

Es gibt keine schlechten Teams!

Bananenschiff

2021-02-10_07-48-03.jpegAngesichts der Schlagzeilen und Aufregungen um die aktuellen Temperaturen, dem Schnee oder den Gesamtumständen eines Winters kann ich mich nur wundern. Da habe ich schon anderes erlebt.

Viele Kolleginnen und Kollegen der Werft kennen nur noch die Arbeit in den geschützten Schiffbauhallen. Doch viele Jahre lagen die Schiffe draußen und wurden unter freiem Himmel gebaut. Das Wetter beeinflusste die Bedingungen unserer Arbeit spürbar.
Im Sommer erhitzte die Sonne das mit dem Rostschutz konservierte rötlichbraune Metall. Arbeitete man in einer so aufgeheizten Sektion oder gar unter dem glühendheißen Deck, ähnelte dies einem „Work out“ in der Sauna.

Ähnliche Erlebnisse mit umgekehrten Vorzeichen hatte man im Winter.
Mir ist es einmal passiert, das ich an dem tiefgefrorenen Metall mit der Hand kleben blieb und einige Hautstücke verlor.

Der für unsere Heimat typische nasskalte schneidende Wind, ließ die Temperaturen um ein Vielfaches kälter erscheinen.

In einem dieser Winter arbeiteten wir auf der Helling (dem Bauplatz der Schiffe) unter dem Boden des neuesten Gastankers.

Die Schiffe standen damals auf den Pallungen. Das sind große stabile Träger auf massiven Betonklötzen. Diese Auflagen hatten eine Höhe von ca. 1.60 Meter.
Der Wind tobte eisig kalt über die freie Fläche zwischen dem Verwaltungsgebäude und den Wänden der ersten neugebauten Schiffbauhallen, nahm quasi Anlauf und fiel dann über uns auf der Helling her.
Wenn eine Sektion aufgesetzt wurde, mussten diese Bauteile und der Doppelboden auf die sie aufgesetzt wurden, neu ausgerichtet werden.
Dazu wurden unter die Pallungen mit großen Vorschlaghämmern so lange große Eisenkeile gehämmert, bis die Messungen und Nivellierungen, die auf dem Doppelbodendeck ausgeführt wurden, befriedigende Ergebnisse lieferten.
Unter dem Schiffsboden war es arktisch kalt. Wir brauchten in den Pausen lange um wieder aufzutauen.

Auch die Persenninge, die an den Seiten des Doppelbodens als Windschutz angebracht waren, halfen wenig. Als von der Betriebsleitung entschieden wurde, dass wir große Kohleöfen unter dem Schiff nutzen durften, waren wir sehr dankbar.
Diese Öfen waren quadratische Metallkisten mit einer Seitenlänge von ca. 1 Meter und ca. 50 cm Höhe. Gefüllt wurden sie mit einer größeren Menge „Eierbriketts“.

Bevor wir ganz schockgefroren waren, konnten wir uns zwischendurch an diesen provisorischen Öfen und den glühenden Kohlen etwas aufwärmen.

Und dann entstanden ungeklärte Probleme. Nach jeder Pause fluchte unser Schiffbaumeister, dem die Nivellierung oblag, laut und lärmend darüber, das die Ausrichtung der Bauteile sich unerklärlicherweise wieder verändert hatte.

Immer wieder musste neu nivelliert und ausgerichtet werden. Es war eine frustrierende und harte Maloche und führte zu gereizter Stimmung. Als ich zum gefühlt 100 sten Mal die schweren Eisenkeile neu unter die Pallung treiben musste, brüllten mein Meister und ich uns übel an.

Die Ursache dieser Probleme, die sich die ganze Woche über hinzogen, wurde gefunden als eine Kohlelieferung ausblieb.
Als die Öfen unter dem Doppelboden kalt blieben, stimmten die Werte plötzlich wieder.

Die Hitze unter dem Schiff hatte das Metall so erwärmt und ausgedehnt, dass sich das Schiff während der Arbeitszeit bog wie eine Banane und in den Pausen wieder in die Ursprungslage zurückkühlte.

Die Folge dieser Erkenntnis war wieder einkehrendes Frieren bei uns und ein zufriedenes Gesicht bei der Vermessung.

Bananenschiff

Tatkraft sollte es schon sein.

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Heute wurde ich in einer Diskussion gefragt, wie ich denn eine gute Führungskraft definieren würde. Dies bezog sich zwar auf den politischen Sektor. Doch im Prinzip gilt dasselbe für den Betrieb. Da habe ich recht lange überlegt wie ich dies im Rückblick der erlebten Jahrzehnte kurz und knapp beschreiben und möglicherweise in einem Begriff bündeln würde. Geholfen hat mir dabei eine fehlerhafte Konstruktion unseres menschlichen Geistes.
Die Schwächen und Fehler unserer Gegenüber zu definieren, fällt uns immer recht leicht. Diese Fokussierung auf Fehler begleitet uns leider ein Leben lang und wurden in der Schule noch vertieft. So habe ich meine Erfahrungen reflektiert und habe den größten erlebten Schwächen die jeweils anderen Begriffe gegenübergestellt.

Zaudern – Entscheidungsfreude
Gleichgültigkeit – Engagiert
Müßiggang Apathie – Tatkraft
Ängstlichkeit – Mut; Tapferkeit
Bürokratisch – Pragmatisch
Formalistisch – Lösungsorientiert
Starr, unbeweglich – Flexibel, Beweglichkeit
Langweilig – Kreativ
Chaotisch – Analytisch
Wankelmütig – Verlässlichkeit; Haltung
„Laberkopf“ – Zuhörend
Das haben wir immer schon so gemacht – Ideenreich
Inaktiv – Handeln
Versteckt – Offen
Verlogen – Ehrlich
Klug – einfältig; dumm

Diese Liste ließe sich beliebig weiter fortsetzen.
Die prägendste Eigenschaft war für mich immer die Tatkraft.

Denn diejenigen, die ich als tatkräftig erlebt habe, haben viele der anderen positiven Eigenschaften gelebt. Umgekehrt sind z.B nicht alle kreativen oder klugen Menschen auch zwingend tatkräftig.

Die tatkräftigen Menschen die ich erleben durfte, haben alle Informationen aufgesaugt, sie auf einen möglichst einfachen Nenner gebracht, machten einen Zeitplan daraus gebaut und handelten!

Mein Fazit zur obigen Frage wäre also Tatkraft.

Tatkraft sollte es schon sein.

Ich will, ich kann, ich werde ….

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Vor einigen Tagen habe ich einen unserer Mitarbeiter beobachtet, wie er an seinem Haus am renovieren war. Mit großem handwerklichem Geschick war er konzentriert und engagiert bei der Arbeit. Werkzeuge und Material lagen in Griffnähe. Zwei Mithelfer koordinierte er offenbar gezielt und ohne Geschrei.

Am Nachmittag dasselbe Bild.
Derselbe Mitarbeiter hat bei uns im Betrieb keinen sehr guten Ruf.

Kann ein Mensch seine innere Haltung zu Arbeit abstellen?
Kann er außerhalb des Betriebes ein völlig anderer Mensch sein als bei der täglichen Arbeit? Ich glaube nicht daran.

In meinem ganzen Leben habe ich noch keinen einzigen Augenblick erlebt, in dem mich ein anderer Mensch zu etwas motivieren konnte, was ich nicht sowieso tun wollte. Die weitaus meisten Menschen sind von ihrem Wesen her hochmotiviert (Ausnahmen kenne ich natürlich auch).
Wenn man etwas wirklich tun will und man wird nicht durch demotivierende Rahmenbedingungen und darüber hinaus schlechtes Führungshandeln daran gehindert, kommen fast immer Höchstleistungen heraus.

Alles ändert sich, wenn man einmal den Gedanken zulässt das man eine bessere Welt und viele Erfolge möglich machen kann, ohne Millionen von „Honks“ quasi umformatieren zu müssen.

Die weitaus meisten Menschen bieten tolle Möglichkeiten dazu.

Man muss nur den eigenen Blickwinkel und das daraus folgende Verhalten ändern? Was meint Ihr?

 

Ich will, ich kann, ich werde ….

Glückliche Dänen.

Tag für Tag Corona Nachrichten, Telefonkonferenzen und Krisenmanagement.
Da fliegen die Gedanken gerne auch einmal in andere Zeiten und zu anderen Erlebnissen.

Ich erinnere mich sehr gerne an ein gemeinsames Seminar mit skandinavischen Kollegen. Im Laufe des Abends haben wir einen Witzewettbewerb ausgetragen.

Es ging dabei um die Ehre.
Ich habe den Contest mit folgendem Witz gewonnen.

Ein kleines Männchen sitzt verloren und einsam in der Kneipe am Tresen.
Vor ihm steht ein frisches Bier.
Ein großer kräftiger Trucker betritt den Schankraum, schlägt dem Kleinen kräftig und jovial auf die Schulter, nimmt sein Bier und trinkt es in einem Anlauf aus.
Darauf fängt das Männchen bitterlich an zu weinen.
Der Trucker schaut ihn verächtlich an und schnauzt „Nun stell Dich mal nicht so an Du Weichei. Wegen einem Bier muss man doch nicht anfangen zu weinen. Ich fass es doch nicht. Was für eine Memme“.

Der Kleine schaut zu ihm hoch und schluchzt “ Du weisst ja gar nicht was mir heute schon alles passiert ist.
Heute wurde mir in der Firma gekündigt. Als ich nach Hause komme stelle ich fest dass meine Frau mich verlassen hat. Sie hat das Haus und unser Konto leergeräumt.
Dann wollte ich mich umbringen und legte mich auf die Bahnschienen. Und der blöde Zug wird umgeleitet.
Als ich mich erhängen wollte riss der Strick .
Noch nicht einmal erschießen konnte ich mich weil die Pistole eine Ladehemmung hat.
Und jetzt habe ich mir Gift gekauft, dies in mein Bier gekippt und Du säufst mir das weg.“

Den ganzen Abend wurden die leckeren Carlsberg Biere mit dem Zusatz „Noch ein bisschen Gift“ getrunken.

Glückliche Dänen.

Lustvoller Untergang

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Ich reflektiere schwierige Gespräche.
Unterschiedliche Standpunkte sind völlig in Ordnung. Ein sachlicher Streit um den richtigen Weg bei Herausforderungen mag belastend sein. Er ist aber das notwendige Schmiermittel zur Weiterentwicklung.
Doch wenn Misstrauen, tiefsitzende Abneigung oder gar Hass Augen und Ohren verschließen, wenn Glaubensgrundsätze oder Empfindungen dominieren und Fakten nebensächlich werden, dann wird es gefährlich.

Dazu fällt mir eine alte Geschichte ein.

Im alten Griechenland befanden sich zwei Männer in einem harten und erbitterten Streit miteinander. Eines Tages mussten nun beide unglücklicherweise an demselben Tag nach Athen übersetzen. Es gab aber nur ein Segelschiff im Hafen.
So setzte sich der eine an den Bug. Wortlos und grimmig fixierte er den Horizont.
Der andere ging an das Heck, rührte sich nicht von der Stelle und starrte die Segel an. Auf offener See überfiel ein vernichtender Sturm das Schiff. Die Wellen hämmerten auf den Rumpf ein und drohten es zu zerschmettern. Die Mannschaft kämpfte verzweifelt um das Überleben des Schiffes. Sie riefen die beiden Männer vergeblich um Hilfe an.
Auf einem Segelschiff ist die Seemannschaft, das gemeinsame Hand in Hand arbeiten  das wichtigste. Doch die beiden Männer waren so tief gefangen in ihrer gegenseitigen Abneigung, dass sie nur darauf bedacht waren Distanz zu halten.

Der Mann am Heck wandte sich besorgt zum Kapitän und fragte „Wenn dieses Schiff untergeht, welcher Teil wird wohl zuerst sinken?“ Der Kapitän umklammerte das Steuer und antwortete mit einem Blick auf die monströsen Wellen „Nun ja. Wahrscheinlich würde bei diesen Wellen der Bug zuerst zerschlagen und sinken. Aber dann sind wir alle verloren“.
Erleichtert sagte sein Gegenüber „Da bin ich aber froh. Den Tod fürchte ich nicht, wenn nur mein Feind vor mir Schaden nimmt, untergeht und stirbt“.

Manche Konflikte verselbstständigen und vertiefen sich im Laufe der Zeit.
Tatsächlich enden sie noch nicht einmal dann, wenn sie erkennbar alle Beteiligten gefährden und großen, eigentlich vermeidbaren Schaden zufügen.

Man nimmt sogar eigene Nachteile in Kauf, nur um dem jeweils anderen einen noch größeren Schaden zuzufügen. Diese verhängnisvolle Spirale können wir sehr oft beobachten.
Hätte man die Chance in eine Zeitmaschine zu steigen und im Rückblick die Konsequenzen eines solchen Verhaltens zu betrachten würde man wahrscheinlich mit dem Kopf schütteln.

Lustvoller Untergang

Sollten wir nicht alle ein wenig Biene sein?

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Bienen sind so faszinierende, wichtige und schützenswerte Lebewesen.
Gestern Abend las ich eine hochinteressante Abhandlung über ihr Verhalten, die Kommunikation und die Organisation eines Bienenstocks.
Vor allem hat mich ihre Fähigkeit erstaunt, sogenannte „Fake News“ zu erkennen.

Die Tiere erkunden auf ihren vielen Flügen die Umgebung ihres Bienenstocks und machen sich davon ein eigenes Bild. Wenn sie auf ihren Urkundungsflügen Nektar entdecken, teilen sie dies den anderen mit einem Tanz mit. Dieser Tanz beschreibt die Lage der Nahrungsquelle. Die nächsten Tiere fliegen mit dieser Beschreibung los.

Bienenforscher haben ein Experiment gemacht.
Ein Bienenvolk hatte ihren Staat in der Nähe eines großen Sees.
Die Forscher haben einige der Insekten mit einem Nektartopf auf ein Boot gelockt.
Sie verhinderten das die Bienen zwischenzeitlich zurückfliegen konnten.
Dieses Boot haben sie dann langsam in die Mitte des Sees gezogen. Dann befreiten sie die Tiere und die Sammlerinnen durften zu ihrem Volk zurückkehren. Wie üblich nahmen sie den kürzesten Weg und teilten die Position des Nektars mit. Und was passierte? Nichts!
Die anderen Bienen kannten ihre Umgebung und erachteten die Information als nutzlos weil Nektar nicht mitten auf dem See sein kann. Sie handelten einfach logisch.

Tun wir dies immer?
Jeder meiner Arbeitstage wird leider immer mehr mit der Bekämpfung von Falschinformationen belastet.
Oh wie würde ich es mir doch wünschen das wir alle etwas von den Bienen annehmen würden. Aufgeregt laufen wir Gerüchten und Falschmeldungen hinterher, teilen und multiplizieren sie. Offenbar passiert dies sogar dann wenn diese Informationen unseren Erfahrungen, unserem Wissen, der Überzeugung und der intuitiven Erfahrung entgegenstehen.
Sollten wir es daher nicht bessser wie die klugen Bienen halten?
Informationen auf Logik und Fakten prüfen, sie ruhig bewerten und dann entscheiden?!

Und vielleicht sollten wir uns in diesen Zeiten auch an dem Grundsatz orientieren, dass der erste Schritt zur Wahrheit der gesunde Zweifel ist?

Sollten wir nicht alle ein wenig Biene sein?

Ein feiner Mensch!

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Vor einigen Tagen habe ich mich mit einem Bekannten über das Thema Anständigkeit und Vorbildlichkeit unterhalten.

Er schilderte ein Erlebnis mit einem „feinen Kerl“.
Im Nachhinein habe ich darüber nachgedacht, welche Menschen ich mit dieser Bezeichnung in Verbindung bringen würde.

Dass mir dabei doch einige Namen eingefallen sind, erfüllt mich mit Freude.
Doch zuallererst denke ich an einen alten lieben Kollegen der manchmal auch eine Art Mentor für mich war.
Gerhard Lilienfeld war Schiffbausekretär in der IG Metall Bezirksleitung Küste.
Ein durch und durch liebenswerter Mensch. Aus meiner damaligen Wahrnehmung ein stets überakkurat angezogener, mit seiner schwarzen Hornbrille und seiner etwas linkischen Art etwas altmodisch wirkender Gewerkschaftssekretär.

Schiffbauverliebt war er und den Menschen zugewandt. Er konnte sich fürchterlich über schlimme und seiner Meinung nach falsche Entwicklungen in der Schiffbaupolitik ärgern. Dennoch habe ich ihn fast immer als überaus ruhigen und abwägenden Menschen erlebt.
Doch warum assoziiere ich Gerhard Lilienfeld bei dem Begriff „feiner Kerl“ ?

Ende der 80 er Jahre waren wir beide die deutschen Delegierten bei der Weltschiffbaukonferenz in Helsinki. Der Kongress fand im Oktober statt und ich lernte  durch nicht angepasste Kleidung leidvoll, dass der Winter in Finnland deutlich früher seine kalten Finger ausstreckte, als bei uns in Ostfriesland.

Wie fast immer hingen tiefschwarze Wolken über der Zukunft vieler Werften. Die Konferenz war geprägt von deprimierenden Berichten zur dramatischen Entwicklung in unserer Industrie. Insbesondere die Berichte der Kollegen aus Griechenland, Spanien und Portugal waren bedrückend. Gleichzeitig konnte man bei den Arbeitnehmervertretern der Staatswerften das Lügen auf einem recht hohen Niveau erleben.

Zum Abschluss des zweiten Konferenztages wurde uns die Möglichkeit gegeben, Helsinki zu besichtigen. Wir besuchten die Wärtsila Werft und bewunderten das Dock, das aus dem Felsen gesprengt worden war.

Mit einem kleinen Bus wurden wir zu einigen weiteren Höhepunkten gefahren.

Und wie bei den meisten Ausflügen gab es auch hierbei die Zeit, einige Sehenswürdigkeiten auf eigene Faust zu erkunden. Gerhard hatte von der Felsenkirche gehört und wollte diese gerne besuchen. Sehr gerne verzichteten wir auf das Bummeln in der zentralen Einkaufsstraße und nahmen Kurs auf die „Temppeliaukio“ Kirche.
Sie liegt etwas westlich vom Hauptbahnhof.

Schon vor dem Krieg hatte man sich zum Neubau einer Kirche an diesem Platz entschieden. Die Katastrophe des Zweiten Weltkrieges verhinderte diese Pläne jedoch. Im Jahr 1961 erhielten zwei Architektenbrüder den Zuschlag für den Neubau. Sie konzipierten die Kirche völlig untypisch aber für Finnland unglaublich passend.

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Ihre Idee war es, das Gotteshaus quasi in den Felsen zu sprengen.
Und so geschah es. Der Tempelfelsen wurde ausgehöhlt.
Die Wände der Kirche sind naturbelassen, unbehauen und rauh. Die Bohrungen in dem Gestein sind deutlich zu erkennen. Wie schnurgerade vertikale Tunnel von Feldmäusen lassen sie erkennen, wie viel Arbeit investiert wurde. Das nur ca. 13 Meter hohe gewölbte Kuppeldach wird von einer Vielzahl von Kupferringen gebildet. Schaut man nach oben, hat man das Gefühl einer viel größeren Höhe. Über 180 längliche Fenster lassen in faszinierenderer Weise Lichtstrahlen in diese Grotte fallen. Der Boden besteht aus massivem Holzdielen. An den Seiten des Fußbodens, dort wo die Felswand beginnt, sieht man auf den Höhlenboden. Dort sammelt sich auch immer etwas Wasser. Dadurch bekommt man fast den Eindruck auf einem Floß zu stehen. Der Altar und die Taufschale waren aus einem Felsstück gehauen. Dieser ragte aus dem Boden wie ein Stalaktit.

Als wir die Kirche betraten spielte ein Organist perfekt auf der Orgel und die schöne Stimme einer übenden Chorsängerin erfüllte den Raum.
Selten zuvor, und auch danach, hatte ich ein derart intensives spirituelles Erleben.
Wir beiden standen ergriffen in dem Gottesraum.
Festen Schrittes ging Gerhard dann zur Felswand zu unserer Rechten.

In einer Wandnische konnten Kerzen deponiert werden.
Einige Zeit vor der besagten Konferenz war eine Kollegin aus der Bezirksleitung unter tragischen Umständen aus dem Leben geschieden.

Die Art wie der Kollege mit Tränen auf den Wangen die Kerze in dieser Felsnische aufstellte und der Verstorbenen gedachte, war das ehrlichste Zeichen von kollegialer Verbundenheit, welches ich bis dahin erlebt hatte.

Vielfach machen wir uns lustig über die Arbeitswelt.
Und doch gehen Menschen dort Verbindungen ein, die haltbar und belastbar sein und ein Leben lang Bestand haben können.

Hier in Helsinki gedachte ein Mensch mit all seinen Gefühlen aufrichtig eines anderen Menschen Schicksal. Und da ich einige andere vergleichbare Erlebnisse mit Gerhard Lilienfeld hatte, vollendete dieses Bild den Gesamteindruck.
Ein feiner Mensch war das!

Ein feiner Mensch!