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Woher weht der Wind in Möhlenwarf?
Die Frage zur Windrichtung ist in Ostfriesland ziemlich normal. Man weiß dann wie anstrengend das Fahrradfahren werden könnte, oder von welcher Seite der Regen heranstürmt. Die Windrichtung ist auch wichtig, wenn Güllegestank alles andere überlagert und die Häuser befüllt. Doch seit einiger Zeit ist die Frage nach der Richtung, aus der der Wind in Möhlenwarf weht, noch einmal wichtiger geworden.
Die untergegangene DDR habe ich noch auf mannigfaltige Art erlebt.
Auf dem Weg zu Seminaren in Berlin musste ich stets die Transitstrecke von Hamburg nach Westberlin nutzen.
Arrogante und aggressive Grenzer haben meinen Fiat mehrfach fast komplett auseinandergenommen. Und dies nur, weil ich leichtsinnigerweise Bücher im Gepäck hatte, die der kommunistischen Diktatur nicht passten. Ich habe damals Diskussionen mit politischen Funktionären in Ostberlin erlebt, die so ideologisch,starr und dogmatisch besessen waren, das die Beweglichkeit des Eifelturms im Wind dagegen wie Yoga Übungen anmuten.
Es war immer wieder beeindruckend an einer Ampel in Ostberlin zu stehen und in einer blauweißen stinkenden Zweitakterwolke von Trabant und Wartburg eingehüllt zu sein. An diesen einzigartigen Gestank erinnert man sich ein Leben lang.
Und ich erlebte in Wernigerode, Bad Doberan und anderen Orten, wie die ostdeutschen Kohleöfen nicht nur Wärme und warmes Wasser produzierten, sondern auch einen alles durchdringenden Gestank. Dieser legte sich wie Klebstoff auf alles.
Meine Haut, die getragenen Kleider wie auch jene, die im Koffer blieben, meine Bücher, – einfach alles trug noch Tage nach den Terminen in der DDR diesen Geruch mit sich herum. Und Gerüche sind erwiesenermaßen die stärksten Verankerungspunkte in unseren Erinnerungen.
Meine Frau und ich leben unglaublich gerne auf dem Land.
Wir wissen mit dem Güllegestank umzugehen. Dieser endet irgendwann.
Wir lieben es, die frische reine Luft unserer Heimat zu genießen und in unser Haus einzuladen. Unser Fenster im Schlafzimmer war (!) lange Jahre fast immer geöffnet. Wir erfreuten uns an dem frühmorgendlichen Konzert der vielen Vögel. Wir liebten die Geräusche des Windes in den Bäumen, das Tosen und Brausen im Sturm, die Geräusche vom Regen in seinen unterschiedlichen Formen.
Doch nun fallen die Gerüche der DDR seit Monaten mit aller Macht in Ostfriesland ein. Einige Mitmenschen scheinen sich für die intensive Nutzung von Kohleöfen entschieden zu haben. Bei Ostwind wabert immer öfter der unverkennbare Gestank dieser Öfen durch unsere Siedlungen. Die Kohleabgase durchtränken die Luft, zerstören die Abendluft und reaktivieren meine Erinnerungen an diesen untergegangenen Staat.
Und dies in einer Zeit, in der wir alle uns über Klimaveränderungen große Sorgen machen. Unserer Welt heizt sich durch einen zu hohen CO2 Ausstoß auf und auch deshalb plant unser Autoland tatsächlich den Verbrennermotor auslaufen zu lassen.
In dieser Situation erscheint mir die stinkende Botschaft der Kohleöfen so passend zu sein wie ein Dinosaurier auf der Mönkebergstraße.
Die Demokratie und die Freiheit haben den politischen Wettstreit letztendlich gewonnen. Doch die Diktatur des durchdringenden Kohlegestanks nimmt mir nicht nur die frische Luft, sondern auch die Freiheit des offenen Fensters.
Irgendwie verfolgt mich diese Kohle.