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Ich habe gerade wieder einmal eine Diskussion hinter mir, die mich etwas hilflos zurücklässt. Eigentlich ging es um eine Information zu der aktuellen Lage unserer unverschuldet in Not geratenen Werft. Doch kaum begonnen, verlagerte sich die Diskussion.
Plötzlich geraten die Verschwörungstheorien eines vermeintlich geplanten Austausches der Stammbelegschaft gegen Werkvertragsmitarbeiter:innen in den Fokus.
Die Gegenüber bezogen sich in der Debatte auf die Behauptungen aus den Medien, Flugblättern der Arbeitnehmervertretung und aus Teilen der Politik.
Unser Werben um Verständnis für unsere Probleme und politische Hilfe sei nachvollziehbar. Doch anderseits wäre ein Abbau heimischer Kräfte und deren Ersatz durch Fremde doch verwerflich?
Ich bin ein leidenschaftlicher Fan des leider viel zu früh verstorbenen Hans Rossling. Einer seiner Kernsätze lautete:
„Man sollte sich die stressreduzierende Angewohnheit zulegen, nur Meinungen mit sich zu führen, für die man starke unterstützende Fakten hat“.
Und so treffe ich, mit vielen Fakten bewaffnet, auf diese wie auch viele andere Diskussionsrunden. Und leider befinden wir uns, wie so oft, schon nach wenigen Sätzen in einem undurchdringlichen Dickicht, wo Fakten, Daten, Belege, Meinungen und Mutmaßungen gleichwertig (!!) nebeneinanderstehen.
Dies passiert nicht nur uns. So eine fehlende Einordnung dessen, was wir wissen oder aber lediglich eine Annahme bzw. Vermutung ist, geschieht immer häufiger.
Ob es um das Klima, die Pandemie, oder Gott weiß für andere Themen geht. Überzeugung, Glauben und Meinungen aus der Filterblase der eigenen Überzeugungen sehen sich auf Augenhöhe mit jahrelang erworbenen Kompetenzen oder forschungsbasierten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Doch zurück zu dem Erlebnis von heute.
Ich verweise auf Zahlen der in den letzten Jahren gewachsenen Stammmannschaft. Beeindruckende Zahlen und Kurven die der geäußerten populistischen These des „Austauschplanes“ diametral entgegenstehen.
Eine kleine, persönliche und nachdenkliche Anmerkung dazu: Auch bei unterschiedlichen Meinungen sollte man mit Begriffen wie „Austausch“, aufpassen. Der große Austausch ist ein Kampfbegriff der neuen Nazis und Rechtsradikalen (Einfach mal bei Wikipedia nachschauen).
Doch wie sind die Antworten meiner Gesprächspartner:innen auf die dargestellten Fakten, Daten und Logikbrüche?
„Zahlen können gefälscht und geschönt sein. Und Statistiken – wer glaubt denn schon daran? (Zitat aus der Runde: „Glaube nur der Statistik, die du selber gefälscht hast…. “ gefolgt von großem Gelächter).
Meine Gegenfrage:
„Wenn also Fakten, Daten darauf aufbauende Statistiken und Logikketten keine Rolle spielen, was ist denn dann die wirkliche Wirklichkeit? Wie können wir denn dann vernünftig miteinander streiten ohne in einen Glaubenskrieg zu gelangen?“.
Nach einem anfänglich dröhnendem Schweigen folgt eine Neuauflage der ewigen Endlosschleife von Meinungen, Annahmen und Verdächtigungen.
Nach 45 Minuten gebe ich auf. Alle Argumente, jeder Hinweis auf Brüche in der Argumentationskette, alles prallt ab.
Das Ganze erinnert mich an ein interessantes Buch.
In einer historischen Abhandlung über das Mittelalter wurde auch über den Zivilisationsbruch der Hexenjagden berichtet. Eine zentrale Rolle spielte der sogenante „Hexenhammer“.
Dieses Buch war im Mittelalter quasi das Handbuch der damaligen Verschwörungsschwurbler und Hexenjäger.
So in etwa wie heute Telegramm, Facebook, Twitter oder Youtube genutzt werden 🙂 (Nichts für ungut).
Wurde eine Frau mit dem bloßen Verdacht (oft entstanden durch eine böswillige Denunziation, einem Streit oder einem Gerücht) mit dem Vorwurf als Hexe konfrontiert, dann wurde sie regelmäßig in den Kerker geworfen. Mit der wahnhaften Besessenheit die Verschwörungsschwurblern so zueigen ist, wurde bestialisch gefoltert.
Bekamen die Folterknechte ein Geständnis bei dieser Tortur, war alles in bester Ordnung. Die vermeintliche Hexe wurde verbrannt. Stritt sie trotz aller Schmerzen, Drohungen und Grässlichkeiten alles ab, musste sie eine Hexe sein, denn jeder normale Mensch hätte solche Qualen nicht durchgestanden.
Die wenigsten Menschen konnten damals schwimmen.
So warf man die Opfer dieser Verschwörungstheorien auch gerne mal in tiefe Gewässer. Ertranken sie nicht, mussten ihnen ihre Hexenfähigkeiten geholfen haben. Sie wurden verbrannt. Ertranken sie, waren sie vielleicht doch unschuldig. Im Ergebnis waren sie aber auch umgebracht.
Verschwörungen gehen immer irgendwie in Erfüllung wenn man nur fest genug an sie glaubt. Dies beobachten wir bis auf den heutigen Tag.
So ähnlich verhält es sich bei uns mit der Debatte um internationale Arbeitsteilung.
- Zeigt man die Zahlen der Arbeitsteilung, (die maßgeblich zum Erfolg der Werft und zum Anwachsen der Stammbelegschaft geführt haben), werden diese als viel zu hoch beschimpft und skandalisiert.
- Zeigt man, wie stark die Vergabe in der Krise reduziert wurde und deshalb trotz massivem Auftragseinbruchs noch keine Reduzierung in der Stammbelegschaft erfolgte, folgt daraus die Logik, dass die Vergaben dann ja offensichtlich vollends entbehrlich seien?
- Würden wie anders als alle Konkurrenten weltweit auf eine internationale Arbeitsteilung verzichten und müssten wegen dann folgender fehlender Wettbewerbsfähigkeit schließen, (bitte an das Beispiel des Ertränkens im tiefen Wasser denken) haben wir den Verdacht zwar widerlegt, sind frei vom „Austausch Vorwurf“ dafür aber alle arbeitslos.
Wie gesagt – irgendwie der Hexenhammer in moderner Form?