Ära

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In den letzten Tagen beendete ich einen, von mir lange Jahre am Leben erhaltenen und sehr geschätzten Diskussionskreis.
Die dort geführten leidenschaftlichen Debatten über die Arbeitswelt verlangen meines Erachtens, das man in derselben auch noch stehen sollte.
Mehr als drei Jahrzehnte konnte ich dort Ideen und Gedanken austauschen und diese im Feuer der Kritik dahinschmelzen, oder aber bestärkt und gestählt sehen.

Einer meiner Freunde sprach angesichts meines bevorstehenden Ruhestandes vom Ende einer Ära. Dieser Begriff schmeichelte mir, gleichzeitig fühlte er sich etwas unangenehm und übertrieben an.
Andererseits macht dieses selten gebrauchte Wort auch deutlich, was wir mit einer Ära verbinden. 

Die Kollegen begründeten ihre Einschätzung mit meinem Lebenslauf.
Daran, mit welcher Leidenschaft ein Spagat gelebt wurde.
Den steten Kampf mit mir selber, mit meiner Herkunft, meiner Realität  und mit anderen um den Begriff und den Inhalt des Begriffes Loyalität.
Die konsequente Arbeit zum Wohlergehen und Entwicklung des Betriebes wie aber auch der emotionale und temperamentvolle Wille zur wertschätzenden und würdevollen Behandlung der arbeitenden Menschen. All dies sei in und durch die Biografie begründet worden. Die Kooperation und gleichberechtigte Interaktion zwischen Management und Arbeitnehmervertretung sei, von außen betrachtet, ein bedeutsames Alleinstellungs-merkmal gewesen. Die Politiker in der besagten Runde (die uns weiß Gott nicht immer nur wohlgesonnen waren) betonten, wie schier unüberwindbar dieses Bollwerk für sie gewesen sei.

Doch kann man beanspruchen eine Ära eingeleitet oder repräsentiert zu haben?
Und folgt daraus, dass eine Ära endet, wenn die Wirkungszeit eines Menschen ein Ende hat? Und ist eine Ära überhaupt an einzelnen Personen festzumachen?
Prägen nicht vielmehr Zufälle, plötzliche Einflüsse und ein jeweiliger Zeitgeist einen Zeitabschnitt? 

Doch, wie schon gesagt, mit einer Ära in Verbindung gebracht zu werden, schmeichelt auch. Denn sie ist in unserer Vorstellung etwas durchaus Großes, etwas einschneidendes. Eine Ära hinterlässt „Spuren im Sand der Geschichte“. Sie ist bemerkenswert. 

In der Hektik unserer kurzlebigen Zeit ragt die Ära als Bild (manchmal auch als Fantasiegebilde) heraus.
Es ist auf eine gewisse Art eine beruhigende Verlässlichkeit im steten Auf und Ab unberechenbarer Zeitläufe. 

Der Begriff der Ära lässt uns hoffen oder glauben, dass nicht die plötzliche und abrupte Disruption, sondern längerfristige Verläufe geschichtlich gesehen die Regel sind.

Ära

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